Hurraaaah, ruft Daria Baibakowa, die Leiterin von Nochlechka Moskau.
Sie hat allen Grund dazu, bereits vor einem Jahr hat das Empfangszentrum in Moskau seine Türen geöffnet, hat der Nachtbus seine Touren begonnen.
Noch vor einigen Monaten manifestierten die Bewohner des Quartiers Begowoy, wo sich das Zentrum befindet, zum Teil heftig gegen den Standort aus Furcht, dass ihr Lebensraum zu einer menschlichen Mülldeponie unter freiem Himmel verkommt.
Ganz diskret
Nach einem Jahr, keine einzige Klage mehr. Das moskauer Empfangszentrum hat sich bewährt.
Daria Baibakowa zieht für uns Bilanz.
Im Juni 2020 gab es nichts, ausser des teuflischen Virus. Trotzdem haben wir heute einen Rechts- und einen Sozialdienst, einen Nachtbus, Duschen für alle, einen Ausgabeort für Kleider und auch, indirekt, eine kleine Nachtunterkunft in einer Herberge, nicht sehr weit von uns.
Wissen Sie, hier bin ich auch zu Hause, sagt Daria freudenstrahlend.
Ein Synonym für Leben
Von Zeit zu Zeit halte ich vor der Tür des Zentrums an und schaue den Aktivitäten im Innern zu.
Ich liebe das emsige Treiben an Tagen mit Empfängen, ich liebe es, wenn der Wartsaal voll ist, ich liebe das Geräusch der Waschmaschinen, die sich überlagernden Stimmen unserer Kunden beim Warten, bis sie an der Reihe sind. Ich liebe es, wenn die Angestellten und Freiwilligen in der Küche Tee trinken und lachen. Ich liebe das Giessen der Blumen vor dem Eingang und am Ende des Abends durch die leeren Zimmer zu schlendern.
Ich liebe es, wenn die Kunden am Kleider-Ausgabepunkt akribisch die Farbe ihres T-shirt auswählen, wenn sie sich im Nachtbus über einen zu wenig gesüssten Tee beschweren oder auch, wenn sie im Vorschlags-Kasten Notizzettel mit Kommentaren hinterlassen, wie man die Projekte verbessern könnte.
So viele Meinungsäusserungen unterstreichen ihren Wunsch, das Überleben zu verlängern.
Es scheint mir, das Jahr hätte nur einen Augenblick gedauert. Diese zwölf Monate enthalten viele Erfahrungen und Schwierigkeiten, aber noch mehr Freude und Liebe.
Reden wir über Zahlen
61’560 warme Mahlzeiten wurden via den Nachtbus an 7’504 Personen verteilt.
3’374 Konsultationen für 687 Personen wurden durch unsere Sozialarbeiter und die Anwälte des Rechtsdienstes durchgeführt.
902 Personen haben Kleider und Hygieneprodukte erhalten.
13 Personen haben im Durchschnitt während 3 Monate in der Herberge gewohnt und in dieser Zeit mit unseren Sozialarbeitern Wiedereingliederungs-Sitzungen durchgeführt, um von der Strasse wegzukommen.
Die Medien haben 484 Mal über Nochlechka berichtet.
Und Ende Juli haben 142 Personen ein Dusche genommen und 125 ihre Wäsche gewaschen.
Vergessen wir nicht, dass wir die besten Freiwilligen der Welt haben, sagt Daria lachend. Ohne sie würde keines unserer Projekte funktionnieren.
119 ehrenamtliche Mitarbeiter helfen uns regelmässig, ich kann sie nur bewundern.
Spassiba bolschoi
Ja, ein ganz grosses Dankeschön an alle, die uns finanziell unterstützen, auch an alle, die auf der Strasse Flyer verteilen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren.
Und da ist natürlich auch unsere Equipe. Männer und Frauen, die jeden Tag herumreisen, um die Arbeit, ein Koloss, zu erledigen.
Sie entwickeln neue Ideen, sind nahezu unermüdlich, geben nie auf, unterstützen sich gegenseitig und umarmen sich. Ich weiss, wie schwierig es sein kann und welche Anstrengungen nötig sind, damit alles funktioniert. Es ist sehr schwierig, mit der Welt der Obdachlosigkeit konfrontiert zu sein. Alles scheint sich endlos zu wiederholen.
Und trotzdem: hinter jedem Teller warmer Suppe, einem Rasierapparat, einem Pass, sauberen Kleidern und einem Bett für die Nacht steht die schwierige Geschichte einer lebendigen Person, der wir helfen konnten.
Jemand kehrt ins gewohnte Leben zurück, jemand fühlt sich in Sicherheit und wird nicht mehr einsam sein, jemand gewinnt neue Kräfte und findet seine Würde wieder.
Ich will vor allem die grossartige Equipe von Nochlechka in St. Petersburg nicht vergessen, ohne sie wäre in Moskau kein einziges Projekt entstanden, ich bin sehr stolz, mit ihnen zusammenzuarbeiten und liebe sie sehr.
Eine bewegte Zukunft
An zukünftiger Arbeit mangelt es nicht, ein Berg von Projekten erwartet uns. Es gibt noch so viel zu tun, die obdachlosen Sans-Papiers sind so zahlreich.
Bisher war es nicht möglich, auf Bumachnoye eine vollwertige Nachtunterkunft zu eröffnen, die Verwaltung ist abweisend, streut uns Sand ins Getriebe, wie es bereits für unser Empfangszentrum der Fall war. Es wird uns aber gelingen und werden sie eröffnen.
Heute will ich eine Minute innehalten, nur eine Minute, durchatmen und all das betrachten, was wir erreicht haben.
In Moskau, in St. Petersburg gibt es Zehntausende obdachlose Sans-Papiers, helfen Sie uns, ihnen Humanität zu schenken.