Obdachlos gegen seinen Willen

Ich bin Besitzer einer Wohnung, trotzdem vegetiere ich seit drei Jahren auf der Strasse, empört sich Alexei.
Als Opfer eines Betruges geriet Alexei unvorhergesehen in eine solche Situation. Mit Sicherheit haben die vielen Leute, die ihn gekreuzt haben, gedacht, es handle sich nur um einen nutzlosen Alkoholiker.
Irrtum, vergessen wir nicht, dass die obdachlosen Sans-Papiers gewöhnliche Leute unter speziellen Umständen sind.

Sie haben mich bestohlen
Ich habe in Moskau eine Wohnung nach Plan gekauft, ich habe meine ganzen Ersparnisse dafür verwendet. Ich hätte am 1. Juni 2019 einziehen sollen. Die Arbeiten schritten planmässig voran, ich habe den Mietvertrag meiner Wohnung auf den 31. Mai 2019 gekündigt, erklärt Alexei angewidert.
An jenem Tag bin ich ins Büro des Promotors gegangen, um die Schlüssel meiner Aquisition abzuholen und bin tief gefallen.
Trotz unterschriebenem Vertrag und überwiesenem Geld hat man mir keine Schlüssel gegeben, konnte ich mein Eigentum nicht in Besitz nehmen. Meine ehemalige Unterkunft war ebenfalls nicht mehr zugänglich, ich fand mich im Hotel wieder, meine Möbel und meine Habseligkeiten in einem Möbellager.
Ich habe einen Advokaten genommen und Klage eingereicht. Der Promotor hat jedoch Konkurs angemeldet, eine andere Immobilienfirma hat das Gebäude übernommen.
Die wenigen Ersparnisse, die ich noch hatte, sind schnell geschmolzen und so befinde ich mich eben auf der Strasse.

Die diskriminierenden Mythen
Das entwertende Amalgam, in dem sich Alexei befand, zeigt einmal mehr, dass in Russland den obdachlosen Sans-Papiers zahlreiche Mythen anhaften.
In Russland kann nicht abgestritten werden, dass die Verarmung in 90% durch nicht angewandte Verfassungs-Artikel, eine kafkaeskige Bürokratie und durch vorsintflutliche administrative Regeln verursacht wird.

Alle Obdachlosen sind Alkoholiker
Nicht alle, aber viele Obdachlose sind Alkoholiker geworden, nachdem sie auf der Strasse landeten, das stimmt.
Der Alkoholismus ist jedoch eine Folge und nicht der Grund der Obdachlosigkeit, eine schlimme Krankheit, an der man erkrankt, um zu überleben. Dasselbe gilt für die Drogenabhängigkeit.
Der Alkoholismus ist nicht der Hauptgrund der Obdachlosigkeit und figuriert nicht einmal unter den wichtigsten Gründen, weshalb die Leute auf der Strasse leben.

Die Obdachlosen sind faul
Unsere Statistiken zeigen, dass 86% der Leute, die zu Nochlechka kommen, sich erkundigen, wie sie davon wegkommen. Sie sind Opfer ihres Zustandes.

Die Obdachlosen sind kriminell
Im Gegenteil, die Obdachlosen sind am häufigsten Opfer widerlicher Taten. Sie sind in einer vulnerablen Position, Zielscheibe von Betrügern, von Dieben und der Hooligans.

Ein abgeschnittenes Bild
Polina Schalyga ist Studentin an der medizinischen Fakultät der Universität von St. Petersburg und Freiwillige bei Charity Hospital.
Auch sie war am Anfang den Obdachlosen gegenüber voller Vorurteile.
Als ich vorher auf der Strasse einen Obdachlosen sah, dachte ich wie meine Mitbürger meistens, dass diese Person bettelte, weil sie es so wollte.
Wie ich mich doch getäuscht habe, unterstreicht Polina Schalyga.
Die medizinische Freiwilligenarbeit hat mir eine objektivere Sicht der Obdachlosen gegeben.
Im Laufe der Zeit habe ich realisiert, dass es sehr, sehr viele Gründe für die Obdachlosigkeit gibt: einige sind in eine andere Stadt umgezogen und haben keine Unterkunft gefunden, ihre Dokumente wurden gestohlen, sie haben sich mit einem Kredit geirrt oder ihre Angehörigen haben sie von zuhause vertrieben, etwas ist mit ihrem Gedächtnis passiert und sie wissen nicht mehr, wo sich ihr Haus befindet.
Seit ich mit ihnen Kontakt gehabt und sie gekannt habe, habe ich aufgehört, voreilig supide Schlüsse zu ziehen.

Gegen die Ausgrenzung kämpfen
Von Anfang an hat Nochlechka sich zur Aufgabe gemacht, die diskriminierenden gesellschaftlichen Dogmen zu bekämpfen, welche die obdachlosen Sans-Papiers ausgrenzen.
Zu diesem Thema wurden mehrere Sensibilisierungs-Kampagnen durchgeführt und der russische Bürger daraufhin angesprochen.

Trotz all den Schwierigkeiten geben wir nicht auf.
Ganz im Gegenteil, wir führen unsere vielfältigen humanitären Aktionen Tag für Tag weiter.

Wir können es nie genug wiederholen: ihre Unterstützung ist unerlässlich, helfen Sie uns, vergessen Sie uns nicht!

 

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