Die Galeere

003_IKV_Dmitrij-006-1280x853Dmitri Kurlapov ist ein gutes Beispiel eines Geschädigten der russischen Verwaltung.
Nach dem Tod seiner Mutter hat Dmitri versucht, die Familienwohnung gegen eine kleinere zu tauschen. Er wurde dabei betrogen und befindet sich nun auf der Strasse. Als „Zugabe“ hat er wegen eines Diebstahls einen Abstecher im Gefängnis hinter sich.
Seit kurzem wieder frei, schöpft Dmitri Kurlapov bei Nochlezhka neue Hoffnung. Er erzählt uns seinen Leidensweg.

Der Tod seiner Mutter
Mein Name ist Dmitri, ich bin 44 Jahre alt. Am 27. August bin ich aus dem Gefängnis entlassen worden. Ich kam ich auf Abwege, hatte gestolen und man hat mich zu 1 1/2 Jahren verurteilt.
Ich stamme aus Moskau, wo ich mit meiner Mama wohnte. Sie ist gestorben, als ich im Militärdienst war. Ich habe keine andern Verwandten und war mit meinen 22 Jahren völlig demoralisiert.
Das Schlimmste war, dass ich mich vermutlich nie von Mamas Tod erholte. Vielleicht kann man dies zeitlebens nicht vergessen.
Nach dem ich meine Wohnung verloren hatte, musste ich nicht auf der Strasse leben. Die Leute halfen mir, einen Job zu finden. Ich hatte einen guten Kameraden in St. Petersburg. Ich kam oft hieher, um zusammen Fussballspiele anzusehen. Ich lebe heute wieder in Frieden, im Gegensatz zu den 90-Jahren; diese waren turbulent.
Ich trinke nicht mehr. Ich könnte nicht sagen, dass ich Alkoholiker war, all die Probleme stellten sich aber, nachdem ich getrunken hatte. Nicht oft, 2-3 Mal. Aber das Leben hat mich gelehrt, auf Alkohol zu verzichten.

Frei, aber ohne Ausweis
Nach meiner Freilassung bin ich zu einem Kollegen in Wiborg gefahren. Dieser war aber umgezogen und ich hatte die gesamten 850 Rubel (11.50 Franken!), die man mir beim Gefängnisaustritt gab, ausgegeben.
Ich musste nacht Piter (St. Petersburg) gehen und schauen, was ich dort machen konnte. Ich hatte weder Geld noch Papiere.
(In Russland kommt es vor, dass Gefangenen die Identitätspapiere abgenommen werden)
Ich habe mich an Nochlezhka gewandt. Nach dem Verlassen des Gefängnisses hast Du Angst und suchst Lösungen. Aber wozu Lösungen?
Ich kann mir heute nicht vorstellen, was ohne das Heim von Nochlezhka aus mir geworden wäre. Wo hätte ich ohne Propiska hingehen können?
Nochlechka hat mir die Augen geöffnet. Die Tatsache,  dass Leute sich für andere einsetzen, hat dazu geführt, dass ich nun viel Neues verstehe, vor allem in diesen schwierigen Zeiten. Ich schätze die Fachleute von Nochlezhka: ihre Hilfe, wie man eine Arbeit findet, wie eine Stellenbewerbung zu schreiben. Ja, das hat mich verblüfft!
Ich habe mit Sozialassistenten diskutiert, die sich um diese Aspekte kümmern und habe dabei viel gelernt. Es hat sogar dazu geführt, meine heutige Arbeitsstelle zu finden. Sie haben mir wirklich geholfen.
Ich arbeite jetzt bei der Firma Ijorskij in Kolpin. Ich bin Mechaniker und beherrsche zahlreiche Dinge wie zum Beispiel das Schweissen.

Dank Nochlechka
Das Gefängnis ist eine Art gemeinsames Haus. Man bezahlt dich für deine Arbeit, jedoch viel weniger als ein Mindestlohn, gerade genug, um das strikte Minimum berappen zu können. Ich bin sehr froh, dass diese Zeit jetzt vorbei ist. Für jemanden, der ein neues Leben beginnen muss, ist es jedoch nicht einfach, besonders ohne Ausweis.
Ich habe bei Nochlezhka vom Rechtsdienst profitiert. Heute habe ich einen internen Pass, der bestätigt, dass ich in Moskau geboren bin.
Ja, ich habe sofort Arbeit gefunden, weil ich gesund bin und ihnen nicht gesagt habe, dass ich aus dem Gefängnis kam.
Ich habe einen guten Chef. Er gehört einer ganzen Dynastie an. Sie engagieren sich für alte, ausgewiesene Mechaniker, die gute Arbeit leisten und ihren Lebensunterhalt verdienen. Er ist wirklich der Chef, ich schätze sein Vorgehen.
Ich lasse micht nicht gehen, solange ich eine sichere Arbeit habe.
Ja, ohne Unterkunft kann ich es mir nicht leisten, krank zu werden.

Und dann spielt man auch Fussball
Ich bin begeistert von Fussball, ich bin ein Fan von „Spartak“.
Über Fussball kann ich stundenlange sprechen. Ich habe meine bevorzugte Mannschaft, wenn sie gewinnt, bin ich glücklich und beruhigt. Das gibt mir Mut. Während ein paar Stunden kannst du all deine Probleme vergessen. Der Sport, die Jungen, die sportliche, kreative Mentalität.
Waweshalb gingen die Griechen an die Olympischen Spiele?
Ich liebe den Sport, das Training, die Fitness, den Stufenbarren. Ich versuche, drei Mal pro Woche zu trainieren. Nebst dem Sport liebe ich die Stadt St. Petersburg. Hier ist alles einfacher als in Moskau.
Die Löhne sind tiefer, aber dies ist nicht das Wichtigste. Und erst die Architektur, jedes Haus ist ein richtiges Museum. Ich möchte gerne den Peterhof besuchen.
Wenn ich von materiellen Dingen spreche, bevorzuge ich jene Leute, welche nicht alles auf einen hohen Lohn setzen, sondern im Leben auch andere wichtige Ziele haben.

Meine Zukunft? Eine Unterkunft finden
Für meine Zukunft habe ich einige Projekte. Vorerst möchte ich etwas Geld sparen, ein kleines Guthaben bilden, um anschliessend mit einer Hypothek am Stadtrand oder im Zentrum ein Zimmer zu kaufen.
Gerne hätte ich vielleicht eine Familie gegründet, die Voraussetzungen dazu sind aber nicht gegeben. Vielleicht kommt das ja noch.

Die sozialen Netzwerke helfen mir auch, man kommuniziert und fühlt sich als Mensch. Man fragt dich „Wie geht es dir“ – und man fühlt sich erleichtert.

 

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