Die russische Besonderheit. Im Gegensatz zu andern grossen Länder, wo die Registrierung seines Wohnsitzes ein einfacher Vorgang bei den Behörden darstellt, benötigt dieser Akt in Russland die Genehmigung durch die zuständigen Behörden.
Es handelt sich dabei um eine langwierige Prozedur, die viel Papierkram mit sich bringt.
Zudem muss man selbst Wohneigentümer sein oder die Erlaubnis des Besitzers haben, um eine permanente Registrierung zu erhalten. (Unter Berücksichtigung all der möglichen Missbräuche).
In Russland sind die individuellen Rechte eigenartigerweise nicht mit der Person verknüpft, sondern mit deren Wohnsitz.
Das heisst: kein Wohnsitz, keine Rechte.
Eine Person ohne Registrierung kann weder legal arbeiten noch bekommt er eine finanzielle Hilfe für seine Kinder. Auch Alters- oder Invaliditätsrenten gibt es keine, von kostenloser medizinischer Hilfe oder der Anrufung eines Gerichts ganz zu schweigen.
Die Verfassung mit Füssen getreten
Dabei garantiert die Verfassung der Russischen Föderation in seinem Grundrecht jedem Bürger die verfassungsmässigen Rechte auf Unterkunft, Arbeit, medizinische Versorgung, Sozialdienste, den Erhalt oder die Bestätigung der russischen Staatbürgerschaft, das Wahlrecht und das Recht auf Bildung.
Für Millionen von Russen ist die Realität eine ganz andere.
Der Tagesverlauf eines Sans-Papier widerspielelt den Graben zwischen dem geschriebenen Gesetz und dessen Anwendung. Eine solche Situation kann praktisch jeden Bürger diskriminieren. In der Tat limitieren die aktuellen Normen den Zugang zu den Rechten, welche vom Staat verbürgt werden.
Die Schwierigkeiten bei der Wiederingliederung der obdachlosen Bürger ohne Papiere sind deshalb eng verknüpft mit dem diskriminierenden Charakter der russischen Gesetzgebung, welche Personen ohne Registrierung die Ausübung der konstitutionellen Grundrechte vorenthält.
Bezüglich Sozialhilfe begnügt sich der Staat mit einer simplen Haltung: die Negierung des Problems.
Ein Sans-Papier wird so schnell zum Obdachlosen. Trotz des total diskriminierenden Charakters dieses Systems, gibt es eine bestimmte Logik. Da der Sans-Papier nicht existiert, gibt es praktisch kein staatliches Hilfssystem für die obdachlosen Sans-Papiers.
Die petersburger Verwaltung anerkennt ohne Umschweife: der Budgetanteil für soziale Probleme ist minim.
Sie verheimlicht nicht, dass die Stadt die Lösung der Problematik den Nichtregierungs-Organisationen überlässt.
Obdachlos zu werden ist einfach, in ein normales Leben zurückzukehren dagegen unglaublich schwierig.
Um das Sozialsystem eines Staates zu berurteilen, gibt es eine spezifische Terminologie:
Die durchschnittliche Dauer für die Rückkehr ins normale Leben.
Wie lange braucht eine auf der Strasse lebende Person, um wieder ein normales Leben führen zu können. In Ländern, die diese Problematik ernst nehmen, dauert es weniger als ein Jahr.
In Russland liegt die Dauer theoretisch bei 7 Jahren.
In der Tat theoretisch, die Mehrheit der Obdachlosen in Russland bleiben dies bis ans Ende ihres Lebens.