Duschen verboten

In St. Petersburg leben über sechzigtausend russische Bürger ohne Propiska, d.h. ohne Wohnsitz. Jegliche Körperpflege ist ihnen deshalb verwehrt.
Wegen der fehlenden Ausweise haben diese Leute keinen Zugang zu öffentlichen Duschen.
Oder sie müssen versuchen, in einer der 14 Nachtunterkünften aufgenommen zu werden, die über die 18 Distrikte von St. Petersburg verstreut sind. (Siehe «Zutritt zu den Zentren»)
«Es gefällt uns gar nicht, dass einige unter ihnen schlecht riechen. Wir kommen aber einfach nicht auf die Idee, dass sie schlicht keinen Ort haben, um sich zu waschen und ihre Kleider zu reinigen», betont Grigori Swerdlin.

Institutionnelles Geschwätz
Seit mehreren Jahren verlangt Nochlezhka von den Behörden, auf das Problem der fehlenden elementaren Hygiene zu reagieren.
Umsonst. Oder die Verwaltung gibt wage  Versprechen ab, die ohne Folge bleiben.
NSS hat dies mehrmals erlebt.
Bereits am 28. Februar 2012 besprach NSS das Problem mit Frau Galina Wladimirowna Kolossowa. Sie war zu jener Zeit zuständig für soziale Angelegenheiten in St. Petersburg.

NSS: Wie weit ist man beim Problem der Duschen? Gibt es in den Nachtunterkünften Duschen, die von den Obdachlosen gebraucht werden können?

GK: Das Problem liegt beim Grundeigentum. Die Installation mobiler Duschen ist nicht möglich, weil es schwierig ist, in dieser grossen Stadt diese Art von Installation vorzunehmen. Die Nichtregierungs-Organisationen können jedoch ein Netz von Duschen vorschlagen und der Staat könnte dieses Projekt finanzieren.
Zwei Jahre später, am 30. Mai 2014, traf NSS Sergeii Matskewitsch, Verantwortlicher des Komitees für Sozialpolitik von St. Petersburg.

Nebst anderen Themen wurde der Stand der Duschen besprochen.

NSS: Es existiert noch immer eine einzige Dusche für 60’000 Personen, jene bei Nochlezhka. Wo steht das Projekt, weitere Duschen zu installieren?

SM: Wir haben versucht, mit den öffentlichen Bädern zusammenzuarbeiten, damit diese an bestimmten Tagen die Obdachlosen empfangen. Erfolglos. Wir haben Nochlezhka vorgeschlagen, ein Projekt vorzustellen.

NSS: Genau, Nochlezhka arbeitet an einem Vorschlag und wird diesen zuerst den Hygienediensten und anschliessend den Sozialdiensten präsentieren. Zudem ist der Abgeordnete Witaly Milonow bereit, die Realisierung jeder dementsprechenden Initiative zu unterstützen.

SM: Eine hervorragende Neuigkeit. Wenn Herr Milonow Nochlezhka helfen will, muss man die Gelegenheit am Schopf packen.

Nein auf der ganzen Linie
Nachdem der Hygienedienst im Dezember 2014 zugestimmt hatte, hat Nochlezhka das Projekt dem Gouverneur der Stadt, Georgi Poltawtschenko, gesandt und es den Verantwortlichen für soziale Angelegenheiten vorgestellt.

Entweder kam keine Antwort oder ein Niet!

Angesichts dieser ablehnenden Haltung hat Nochlezhka entschieden, die berühmten Duschen selbst zu installieren. Dieser Wille, selbstbewusst voranzugehen, erinnert an die Initiative der Nichtregierungs-Organisation mit den Überlebenszelten.
Nochlechka hat seit 2007 die öffentlichen und kirchlichen Behörden um Aktionen gebeten, damit die Leute nicht mehr auf den petersburger Strassen erfrieren. Reiner Zeitverlust. Nochlezhka hat keine andere Wahl, dieses Problem selbst zu lösen.

Eine schwierige Herausforderung
Grigory Swerdlin erläutert uns in wenigen Worten, aus was das Projekt besteht.
«Die Duschen werden in einem Container installiert. Es werden jeweils zwei traditionnelle Duschen sowie eine für Behinderte sein.
Zudem wird der Container mit einer Waschmaschine, Toiletten und einem Platz für die Freiwilligen von Nochlezhka ergänzt.
Die Ausrüstung des Containers beläuft sich auf ungefähr 1,2 Millionen Rubel (18’000 Franken). Der Unterhalt (Lohn des Sozialarbeiters, Wasser- und Elektrizitätsverbrauch, Desinfektions- und Reinigungsmittel) kostet rund 600’000 Rubel (8’700 Franken)».
Wie es Nochlechka manchmal mit den Überlebenszelten macht, ist vorgesehen, die Duschen neben den Zentren aufzustellen, die der Stadt gehören. Von dort wird auch Wasser und die Elektrizität bezogen, natürlich gegen Bezahlung.
Da diese Container einfach zu transportieren sind, kann jeweils der ideale Standpunkt gesucht werden, wo sich täglich mindestens 20 Personen duschen kommen.
Ist der erste Standort ungeeignet, wird der Container an einen andern Ort verschoben.
Grigory fuhr fort: «Sicher wird es recht schwierig sein, von den Behörden die notwendigen Bewilligungen zu erhalten. Aber wir haben es mit den Zelten geschafft und ich denke, wir werden mit den Duschen erfolgreich sein.»

Die Menschenwürde verbessern
Es ist tatsächlich zu hoffen, dass die petersburger Behörden angesichts des guten Willens von Nochlezhka und der Dringlichkeit der sanitären Situation sich weniger gleichgültig zeigen und dem Projekt nach der langen Wartezeit zum Durchbruch verhelfen werden.
NSS wird ihrerseits alles unternehmen, damit die russischen Sans-Papiers von St. Petersburg sich bald wieder duschen können, wie wir uns dies gewohnt sind. Damit soll auch die Menschenwürde etwas verbessert werden.

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