Zwangsarbeit

Ich habe sogar Obdachlose gesehen, die mit Gewalt direkt in den Kofferraum eines Autos geworfen wurden.
Einmal am Zielort angekommen, wurde uns der Kopf kahlgeschoren und dann wurden wir mit einem Wasserstrahl unter Hochdruck abgespritzt, sogar im Winter. Anschliessend gab man uns eine Arbeitsuniform, erzählt Andrei, ein ehemaliger obdachloser Sans-Papiers, der dem Frondienst entkommen konnte.

Ein Trick
In Russland gibt es ein ausgedehntes Netz der Ausbeutung von Menschen in Schwierigkeiten, von Drogensüchtigen, Alkoholikern und obdachlosen Sans-Papiers.
Über kleine Anzeigen, die an die Pfosten der Strassenbeleuchtung angeklebt werden sowie bei Bahnhöfen, Bushaltestellen und Metrostationen, werden die armen Teufel angelockt. Man verspricht ihnen einen guten Job, einen anständigen Lohn, Kost und Logis.
Ein anderes Mittel, um Leute für Zwangsarbeit zu rekrutieren, sind die Anwerber. Man findet sie an den gleichen strategisch wichtigen Orten.
Es ist schwierig, ihren fantastischen Versprechungen zu widerstehen, wenn man auf der Strasse steht und nur unter extrem schwierigen Bedingungen überleben kann.
Und dann geschieht es auch manchmal, dass diese Anwerber schlichtweg Gewalt anwenden, um ihr menschliches „Vieh“ mitzunehmen.

Die Arbeitshäuser
In der Theorie wären diese Arbeitshäuser wohltätige Institutionen, in denen Menschen in Not offizielle Anstellungen hätten sowie eine Unterkunft zu akzeptablen Bedingungen und einen fairen Lohn erhielten.
Ihre Papiere würden nicht eingezogen, und sie hätten die Möglichkeit, jederzeit aus eigenem Willen zu kündigen, unter Einhaltung der vom Gesetz und dem Arbeitsvertrag vorgesehenen Bestimmungen.
In der Praxis passiert aber sehr oft genau das Gegenteil, erklärt uns Daria Baibakova, die Direktorin von Nochlechka Moskau.
Es wäre ja schön, wenn ich mich täuschen würde, fügt Daria an, aber bis jetzt haben weder ich noch meine Kollgen solche idyllischen Arbeitshäuser gesehen.
Die Leute werden gegen ihren Willen dort festgehalten, die Löhne sind miserabel, 400-500 Rubel (5 CHF) pro Tag, manchmal 1‘200 Rubel (15 CHF), wenn sie ausgezahlt werden.
Im Allgemeinen gibt es keinen Ruhetag, die Arbeitsstunden sind endlos, die Nahrung ist völlig unzureichend, die Schlafräume schützen die Bewohner gerade knapp vor Unwettern.
Und von diesen Hungerlöhnen werden sehr oft noch die Beiträge für Kost und Logis abgezogen.

Deshalb ist es für uns im Moment klüger, uns vor diesen „Arbeitshäusern“ in Acht zu nehmen.
Und ich bitte Sie, schicken Sie keine Personen dorthin, wenn Sie nicht von der Vertrauenswürdigkeit und der Menschlichkeit des Ortes überzeugt sind, unterstreicht Daria Baibakova.

Eine Falle
Gemäss Natalia Markova, verantwortlich für die Leitung der Obdachlosenhilfe der Gemeinschaft Sankt Aegidio (einer karitativen Organisation in Moskau), helfen solche Arbeitshäuser den Obdachlosen nicht, eine Arbeit zu finden und sie ermöglichen es ihnen auch nicht, ihr Leben neu aufzubauen.
Sie sind Opfer und in gewisser Weise Gefangene. Wenn sie weggehen wollen, geschieht das nie auf gütlichem Wege.
Alena Mordasova, die Verantwortliche der Projekte für Direkthilfe bei Nochlechka, benennt mehrere Kriterien, welche erklären, weshalb die Menschen in den Arbeitshäusern so rechtlos sind:
– Die Arbeitshäuser sind nicht als juristische Personen registriert
– Die veröffentlichten Stellenangebote sind falsch
– Den Leuten werden Stellen in einer anderen Gegend angeboten (normalerweise wird das so gemacht, um ihre sozialen Kontakte zu unterbinden)
– Es gibt keine öffentliche Information über den genauen Standort der Häuser.

Die obdachlosen Sans-Papiers, die zu diesen Orten der Zwangsarbeit gehen, tun es aus Verzweiflung, denn sie können keine andere Stelle finden.
Die Arbeitshäuser profitieren auch davon, dass es keine staatlichen Strukturen gibt, welche Leuten in schwierigen Lebenssituationen hilft, sagt Natalia Markova.

Straflosigkeit
In der Tat, die Verwaltung und die Behörden schliessen die Augen vor diesem Missbrauch, welcher der Sklaverei gleichgesetzt werden kann. Sie sind gleichgültig oder beziehen sogar Schmiergeld, damit sie nicht genau hinschauen.
Ausserdem gehen die Zwangsarbeiter in den meisten Fällen nicht zur Polizei. Wie will man sich an den nächsten Polizeiposten wenden, wenn man keinen Ausweis hat?
Und selbst wenn sich ein Arbeiter mal dorthin wagt, wird ihm der Polizist sagen: Sie wurden nicht bezahlt, man beutet sie aus? Und Sie haben keinen Vertrag unterschrieben? Es hat Sie doch niemand gezwungen. Los, hauen Sie ab! “
Was kann er schon machen? Nichts, er kann nichts machen, erklärt Alena Mordasova desillusioniert.

Andrei hat beinahe sein Leben verloren
Sie haben uns schlimmer als Hunde behandelt, erzählt Andrei.
Wir arbeiteten von morgen früh bis spät am Abend, nonstop, für ein karges Entgelt, immer unter der Aufsicht von Kraftprotzen mit Wachhunden.
Ich habe gehört, dass sie töten könnten, also bin ich kein Risiko eingegangen und habe lange auf den guten Moment gewartet um abzuhauen.

Nochlechka ist besonders achtsam gegenüber den Anwerbepraktiken, die man an den Haltestellen des Nachtbusses und manchmal sogar in der Nähe der Nachtasyle, der Empfangszentren und im Winter in der Umgebung der Überlebenszelte antrifft.
Wir machen alles, damit die obdachlosen Sans-Papiers nicht Opfer dieser Sklavenhändler werden.

Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen. Unterstützen Sie bitte weiterhin unsere Arbeit.
Sie rettet zahlreiche Leben.

Wichtig: Trotz der Tücken des Boykotts ist es uns immer noch möglich, unsere Unterstützungsbeiträge zu überweisen, die heute noch notwendiger sind als früher.

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