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Zu oft vergisst man den Einsatz der Freiwilligen, ohne die Nochlechka nicht funktionieren könnte.
Ohne ihre unentgeltliche Hilfe, ihre herzlichen Witze, ihre zündenden Ideen und ihren aufrechten Wunsch, Gutes zu tun, würde Nochlechka schlichtweg nicht existieren, beteuert Daria Baibakova, die Direktorin von Nochlechka Moskau.
Aus allen Himmelsrichtungen
Die freiwilligen Helferinnen und Helfer sind im Durchschnitt circa dreissig Jahre alt. Studierende, Berufsleute, Rentner/-innen, die Profile sind unterschiedlich.
Über WhatsApp und soziale Netzwerke wird eine wöchentliche Präsenzliste erstellt.
Die Freiwilligen arbeiten aktiv mit, zum Beispiel bei den Touren des Nachtbusses, bei der Verteilung von Kleidern und bei den verschiedenen Sensibilisierungskampagnen.
Daria fügt hinzu: Unsere Hilfe für die obdachlosen Sans-Papiers ist nur möglich, weil diese Freiwilligen die Arbeitsstunden nicht zählen. Sie nehmen an allen unseren Aktivitäten teil, transportieren Lebensmittel mit dem Bus, waschen Thermoskrüge aus, helfen mit bei unseren Konferenzen, präsentieren Nochlechka bei Messen und kulturellen Anlässen, erklären immer wieder die Probleme der Obdachlosigkeit in Russland und die Mittel, mit denen man den Betroffenen helfen kann.
Ein solidarisches Engagement
Was mich am meisten fasziniert, wenn ich mich mit den Obdachlosen beschäftige, ist, dass ich immer wieder die Gelegenheit habe, meinen Blick auf die Welt zu relativieren und meine Komfortzone zu verlassen, erklärt Tatiana, die seit vier Jahren Freiwillige bei Nochlechka Moskau ist. Die Neugier, andere Realitäten kennenzulernen, das ist es, was mich vor allem gereizt hat.
Vom ersten Moment an habe ich diese Arbeit geliebt, weil unerwartete Kompetenzen gefragt sind, die sofort angewendet werden müssen. Im Laufe der Jahre habe ich mir Hunderte von Kenntnissen angeeignet, zum Beispiel, wie man Teller mit hoher Geschwindigkeit verpackt, wie man Säcke füllt, ohne eine Sekunde zu verlieren, woran man erkennt, ob Brot noch frisch ist.
In vier Jahren habe ich gelernt, effizient zu sein. Aber ich habe auch mein Vokabular erweitert, indem ich mir mehrere Synonyme für Kleider angeeignet habe, als ich Hosen, Überkleider, T-Shirts und Jeans verteilte.
Und vor allem habe ich mich selbst bereichert, indem ich neue Gesichter und neue Namen kennengelernt habe, und die Lebensläufe, die mir die Leute erzählen, erklärt Tatiana fröhlich.
Eine andere Welt entdecken
Nikita Starikov, Freiwilliger seit Frühling 2021 in Sankt Petersburg, würde sicher nicht widersprechen.
Nachdem ich mich über Nochlechka ausführlich informiert habe, schrieb ich mich auf der Liste für den Nachtbus ein.
Nie hätte ich das gedacht, aber es ist ungemein befriedigend, bei Wind und Wetter Suppe auszugeben.
Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, wirklich nützlich zu sein.
Und vor allem hat sich mein Blick auf die obdachlosen Sans-Papiers völlig verändert; die vielen Klischees, die in meinem Kopf herumschwirrten, haben sich in Luft aufgelöst.
Auch wenn es kitschig tönt, die Obdachlosen sind genau wie du und ich, Frauen, Jugendliche, Männer, nur dass sie Opfer eines schrecklichen bürokratischen Systems sind.
Die unabdingbare Präsenz
Mehrere Hundert Freiwillige beteiligen sich jährlich an den verschiedenen Aktionen von Nochlechka.
Im Lauf der Jahre hat sich das Vorgehen der Organisation in Bezug auf Freiwilligenarbeit qualitativ verändert. Jetzt stützt sich Nochlechka nicht nur auf Leute, die Lebensmittel oder Kleider verteilen möchten, sondern auch auf professionelle Freiwillige: Übersetzerinnen, Designer, Verleger, Programmierer, Spezialistinnen für Öffentlichkeitsarbeit, Anwälte, Ärztinnen und Psychologinnen.
Nochlechkin für einen Tag, Nochlechkin für immer
Für Tatiana ist die ideale Freiwillige eine Person, die nicht Angst hat vor Unterschieden, die es akzeptiert, sich selbst und dem Gegenüber zu vertrauen, die sich nicht verkrampft gegenüber unbekannten Welten, die leicht und ohne Angst mit anderen ins Gespräch kommt und auch bereit ist, das Gegenüber zu kritisieren oder mit ihm zu lachen.
Wir Freiwilligen haben grosses Glück. Wir entdecken eine Realität, die vielen Russen unbekannt ist, nämlich diejenige einer grossen Gruppe von Mitbürgern, die unter riesigen existentiellen Schwierigkeiten leiden. Und wir tun etwas dagegen, sagt Tatiana zum Schluss.
In Moskau und in Sankt Petersburg gibt es Tausende von obdachlosen Sans-Papiers, Männer und Frauen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen überleben. Sie brauchen unsere Hilfe.
Im Winter ist unsere Aufgabe noch grösser als sonst. Unterstützen Sie uns und retten Sie Leben.
Wichtig: Trotz des Boykotts ist es uns weiterhin möglich, Ihre finanzielle Unterstützung weiterzuleiten.