Eine tödliche Ungerechtigkeit?

Alexander ist seropositiv. Die Behörden wollen ihm keinen neuen Pass geben. Deshalb hat Alexander keinen Zugang mehr zu einer kostenlosen antiviralen Therapie.
Alexander, eine obdachloser Sans-Papiers, ist zu unserem Auffangzentrum in Moskau gekommen, um Hilfe zu erhalten.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Haltung einiger sturer Beamter und die Anwendung unsozialer Gesetze gleichbedeutend sind mit unterlassener Hilfeleistung gefährdeter Personen.
Dazu kommt noch, dass sie den Alltag dieser Opfer noch mühevoller machen.

Der schäbige Beamte
Alexander, in den Vierzigern, erzählt:
Ich habe meinen Pass im letzten Oktober verloren, also im 2022.
Ich habe sofort den Polizeiposten darüber informiert. Ich habe auch Unterlagen vorbeigebracht, um einen neuen Ausweis zu erhalten.
Der Angestellte der Abteilung hat alles akzeptiert und einige Tage später hat er mir mitgeteilt, dass der neue Pass bereit sei. Aber als ich ihn abholen wollte, hat er sich geweigert, ihn mir auszuhändigen.
Stattdessen hat mir der Beamte eine Busse von 5’300 Rubel (70.00 CHF) auferlegt für zwei Vergehen: nachlässige Aufbewahrung eines Passes und fehlende Wohnsitzbestätigung (Propiska).
Er hat mir gesagt, dass der Pass in seinem Büro bleibe, bis ich die Busse bezahlt hätte.
Ich konnte ihm lange erklären, dass ich kein Geld hätte und den Pass dringend bräuchte, um Zugang zur HIV-Therapie zu erhalten; es nützte alles nichts.

Die Absurdität in ihrer vollen Pracht
Das ist doch der Gipfel, wenn man jemandem eine Busse erteilt für Dinge, die nichts mit dem Verlust des Passes zu tun haben. Wie wenn dessen Fehlen gewollt wäre.
Und was noch schlimmer ist, betont Masha Muradova, unsere Sozialarbeiterin in Moskau, Alexander hat seine Wohnung wegen des fehlenden Passes verloren.
Dazu kommt, dass Alexander seine lebenswichtigen Medikamente seit mehr als zwei Monaten nicht mehr nehmen konnte, Pillen die täglich, ohne nur einmal auszusetzen, geschluckt werden müssen.

Da muss man sich fragen, ob dieser Bürohengst nicht versucht, Schmiergeld zu ergattern, oder ob er einfach nur zutiefst homophob ist.

Den tödlichen Ausgang der Situation vermeiden
Einige Tage später kam Alexander zu uns, fährt Masha Muradova fort: Die Versorgung mit Pillen war zu Ende gegangen und Alexander hatte bereits zwangsläufig seine Therapie unterbrechen müssen.
Unser Anwalt schickte sofort eine Eingabe an die für administrative Ausweise zuständige Abteilung.
Er betonte, dass es absolut illegal sei, die Ausstellung eines Passes zu verweigern, und wies darauf hin, dass der fehlende Zugang zur Therapie eine gefährliche Veschlimmerung des Gesundheitszustandes unseres Kunden nach sich ziehen könne.
Und wir begannen zu warten.
Die Antwort kam genau einen Monat später: kein Pass, wenn Alexander seine beiden Bussen nicht zahlt.
Damit Alexanders Leben nicht noch mehr in Gefahr gerät, hat Nochlechka bezahlt.

Unmittelbar nachdem er seinen Pass erhalten hatte, wurde Alexander ins Spital eingewiesen, wo eine schwere Lungenentzündung diagnostiziert wurde.
Diese Drama überrascht kaum, wenn man daran denkt, dass Alexander ohne Behandlung, mitten im Winter, auf der Strasse überleben musste.
Es war immerhin ein Glück, dass er bei Nochlechka vorbeigekommen ist, betont Masha Muradova.
Hoffen wir, dass er davonkommt.

Diskriminierung
Masha sagt weiter: Gelegentlich kommt es vor, dass Obdachlose ihre Dokumente verlieren.
Nicht aus Nachlässigkeit, sondern wegen der Eigenheiten, die das Leben auf der Strasse mit sich bringt, denn alles muss ständig von einem Ort zum anderen geschleppt werden.

Nochlechka ist der Meinung, dass der Staat bei Sanktionen für einen nachlässigen Umgang mit dem Pass die Situation der betroffenen Person berücksichtigen muss. Es soll nicht derjenige hart bestraft werden, dessen Dokumente wegen seiner Obdachlosigkeit nicht regelkonform sind.
Die Reduktion der Kosten für die Erneuerung eines Passes von mehreren tausend auf einige hundert Rubel würde es ebenfalls erlauben, die Situation der obdachlosen Sans-Papiers zu verbessern.

Ihre Unterstützung ist von grosser Bedeutung, erst recht in den Zeiten der grossen Winterkälte.
Danke für Ihre Hilfe, Sie retten Leben.

Wichtig: Trotz der Tücken des Boykotts ist es uns immer noch möglich, unsere Unterstützungsbeiträge zu überweisen, die heute noch notwendiger sind als früher.

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