Jeden Tag mehren sich die Anfragen für Hilfe, die Zunahme an obdachlosen Sans-Papiers ist offensichtlich, stellt Daria Baibakowa, die Direktorin von Nochlechka Moskau, fest.
Die Zeitschrift Forbes hat Daria Baibakowa kürzlich interviewt. Hier einige Ausschnitte, die unterstreichen, in welchem Umfang die Ereignisse in der Ukraine die humanitären Aktivitäten der NGO beeinflussen.
Die Nachfrage ist dringend
Sie haben Leute, die vor dem 24. Februar aus der Ukraine nach Moskau oder St. Petersburg gekommen sind, um Eltern oder Bekannte zu besuchen.
Jetzt sitzen sie hier fest, erklärt Daria.
Nach einigen Monaten wird das Zusammenleben immer schwieriger, die Eingeladenen müssen ihre Gastgeber verlassen, sich selbst irgendwo niederlassen, eine Arbeit finden.
Aber wie? Sie haben die notwendigen Papiere nicht, sehr oft kein Geld und keine Unterkunft mehr.
Man findet sie an den Haltestellen unseres Nachtbusses oder sie kommen uns in unseren Empfangszentren besuchen.
Sie benötigen dringend Kleider, Hygieneartikel, Essen und suchen dringend Arbeit.
Auch Russsen verlieren ihre Arbeit, ihre Unterkunft und landen so auf der Strasse.
Diese Anfragen für Unterstützung kommen zu unseren täglichen vielfältigen Aufgaben hinzu. Sie bitten uns natürlich um Geld, wovon wir paradoxerweise weniger erhalten.
Die Unternehmen verlassen uns
Aufgrund der Bankenmassnahmen , die der Europäische Wirtschaftsraum erlassen hat, erreicht uns die Mehrzahl der finaziellen Unterstützungen unserer externen Partner nicht mehr.
Im Moment haben wir noch keine dauerhafte Lösung gefunden, damit uns diese finanziellen Hilfen wieder erreichen können.
Zudem haben zahlreiche internationale Firmen Russland verlassen und russische Unternehmen ihre Hilfe an soziale Programme wie unseres gestoppt.
In der Tat finanziert Nochlechka auch täglich Aktionen dank privater russischer Spenden.
Währund über dreissig Jahren haben wir enge Beziehungen mit mutigen nationalen Unternehmen geknüpft, die bereit sind, unsere Hilfsprojekte für obdachlose Sans-Papiers zu unterstützen, unterstreicht Daria Baibakowa.
Bei der anhaltend starken Abnahme dieser Spenden und der Zunahme der neuen obdachlosen Sans-Papiers wird es kritisch.
Leider ist dies nicht alles, fährt Daria Baibakowa weiter.
Die Sozialmedien schweigen
Die seit März verbotenen Sozialmedien waren ebenfalls eine grosse Plattform für die Spendensammlung.
Dieser regelmässige Fluss ist beinahe versiegt und hat unsere finanzielle Situation noch schwieriger gemacht.
Ausserdem hat die Unmöglichkeit zu kommunizieren zur Folge, dass wir das Publikum nicht mehr für unsere Projekte und unsere Aktualitäten ansprechen können.
Daraus ergibt sich eine gewichtige Verminderung an Möglichkeiten, finanzielle Unterstützungen zu erhalten.
Eine delikate Situation, die bedingt, dass wir andere Formen der Finanzierung unserer humanitären Aktionen finden müssen.
Die Quadratur der Kreises
Unsere Aufgabe ist immens, wenn wir an die Herausforderungen denken, die uns erwarten: wie mehr obdachlose Sans-Papiers aufnehmen mit weniger finanziellen Mitteln?
Ich muss zugeben, dass ich manchmal Angst habe, dass wir festfahren.
Und dennoch ist es wesentlich, dass wir mit unserer Entwicklung, an der wir seit Jahren arbeiten, weiterfahren. Es ist wichtig, dass die Entwicklung nicht stoppt, nicht einmal eine Minute.
Dies ist sehr schwierig, aber ich bin sicher, dass es möglich ist.
Die gute Neuigkeit dabei ist, dass wir 2022 mit einer seit Jahrzehnten bewährten Methodik und 30 Jahren Erfahrung angegangen sind.
Wir wissen, was nötig ist, um die Hilfe effizient zu machen: welches Organisations-System wir anwenden müssen und wie man es umsetzt,
Zurück in die Vergangenheit?
Manchmal habe ich den Eindruck, die Epoche der Gründung von Nochlechka im Jahr 1990 zu erleben.
1990 erhielten die Leute ihre Lebensmittel mittels Lebensmittel-Karten.
Diese wurden den Obdachlosen und Personen „ohne Aufenthaltserlaubnis“ jedoch nicht abgegeben.
Nochlechka, bereits damals über das Schicksal der Obdachlosen und Personen ohne Registrierung beunruhigt, hat die Stadtverwaltung ersucht, Karten für Grundnahrungsmittel an Obdachlose abzugeben.
Müssen wir so weit kommen?
Die kleinen Bächlein
In der Zwischenzeit haben wir 2021 Spenden von über zwei Millionen Rubel von Leuten erhalten, die uns jeden Monat weniger als 100 Rubel (CHF 1.80) überwiesen.
Es gibt keine kleine oder unbedeutende Hilfe, dies muss so weitergehen, auch wenn die Bürgerinnen und Bürger sich wegen der steigenden Inflation, die ihre Einkommen anknabbert, um ihre Zukunft Sorge machen. Ihre Spenden sind unerlässlich.
Jede Hilfe ist sehr geschätzt, sie ist die Basis.
Je zahlreicher wir sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass unsere Unterstützung der obdachlosen Sans-Papiers nicht aufhört oder sich sogar weiterentwickelt, folgert Daria Baibakowa optimistisch.
Danke allen, die von Nochlechka sprechen, von unseren Erfolgen, die uns helfen, unsere vielfältigen Hilfsmassnahmen weiterzuführen.
Herzlichen Dank für ihr Vertrauen, unterstützen Sie unsere Arbeit weiterhin.
Sie rettet zahlreiche Leben.
Wichtig: Trotz der Boykottmassnahmen gelingt es uns immer noch, unsere mehr denn je notwendige finanzielle Unterstützung nach Russland zu transferieren.