
Wo schlafen, ohne von Regengüssen durchnässt zu werden? Wo sich ausruhen, ohne belästigt oder überfallen zu werden?
Um auf diese Fragen zu reagieren, hat Nochlechka anfangs Juli 2019 eine Notunterkunft errichtet. Ein großer Container wurde in einen Ort der Gastfreundschaft umgewandelt, an dem obdachlose Menschen Aufnahme finden.
Eine Oase der Ruhe
Was für ein Glück zu wissen, dass man an einem warmen Ort Zuflucht finden kann, einen Teller Suppe erhält, von Ärzten betreut wird und Freiwillige sich wie Freunde um einen kümmern! Das ist schon ausserordentlich, erzählt Viktor Andrejevitsch, einer dieser Menschen, die dort untergekommen sind.
Jeden Abend ab 20 Uhr kommen in Sankt Petersburg Männer und Frauen, Junge und Alte zur Notunterkunft in der Nähe der Metrostation Obuchowo.
Dort finden sie Kajütenbetten mit Matratzen, Kopfkissen und Decken vor und sie erhalten eine warme Mahlzeit. Heute gibt es Rassolnik, eine Suppe auf der Basis von Essiggurken, dazu gekochte Süsskartoffeln, Weiss- oder Vollkornbrot, Schwarztee und Plätzchen in Herzform garniert mit Zuckerstreuseln.
Was für ein Schlemmermahl, ruft Viktor Andrejewitsch voller Begeisterung. Denken Sie, dass wir je so etwas kriegen würden draussen? Nie und nimmer. Im besten Fall finden wir in den Abfalleimern eines Restaurants ein paar angeschimmelte Resten. Und auch das nur mit viel Glück.
Liebevoll umsorgt
Vor oder nach der Mahlzeit gibt es die Möglichkeit, sich zu duschen. Beim Eingang zum Duschraum werden Seife, Shampoo und ein Bademantel ausgegeben. Man erklärt den Obdachlosen auch, wie die Waschmaschine und der Wäschetrockner funktionieren. Was für eine Wohltat, sich in ein sauberes Bett zu legen, betonen diese Männer und Frauen immer wieder, die für einige Stunden dem düsteren Überlebenskampf entkommen sind.
Die Notunterkunft kann 40 Personen aufnehmen und ist 365 Tage im Jahr geöffnet. Jede und jeder kann kommen, ohne Identitätspapiere vorzulegen. Die Eröffnung der Einrichtung im Jahr 2019 war eine Premiere in Russland.
Ein- bis zweimal pro Woche bieten freiwillige Ärzte und Ärztinnen Leistungen der medizinischen Grundversorgung an. Ein Hausmeister schaut zum Rechten, gibt Vorschriften zur Hausordnung ab und muntert die Obdachlosen auf.
Wenn jemand zum ersten Mal eine Notunterkunft besucht, erhält er einen Flyer mit Erläuterungen zu allem, was den Ausstieg aus der Obdachlosigkeit erleichtert.
Eine Chance
Diese Unterkunft ermöglicht es einem Obdachlosen, wieder zu sich zu finden. Es geschieht oft, dass eine solche Person anschliessend in unser Aufnahmezentrum kommt, um ein Programm zur sozialen Wiedereingliederung zu beginnen, erklärt die Sozialkoordinatorin, Anna Malinina.
Für diese Leute sind wir ein Hoffnungsschimmer, wir sind für sie da. Manchmal funktioniert es und die obdachlose Person schafft den Ausstieg, manchmal auch nicht. Natürlich wünschte ich, dass ersteres häufiger vorkommt, aber leider ist das nicht immer der Fall, da die Stigmatisierung durch den Überlebenskampf tief sitzt.
Auf alle Fälle bieten die Notunterkunft und das Aufnahmezentrum dem Einzelnen die Möglichkeit, vorwärts zu gehen. Allein dadurch, dass eine Person sich duschen und die Kleider waschen kann, gewinnt sie ihr Selbstwertgefühl zurück. Das ist doch ein sehr grosser Schritt vorwärts, sagt Anna Malinina zum Schluss.
Unsere Aufgabe ist riesig. Helfen Sie uns, mehr Menschlichkeit zu schenken.
Wichtig: Trotz des Boykotts ist es uns weiterhin möglich, Ihre finanzielle Unterstützung weiterzuleiten.