Strassenmedizin

Obdachlose zu behandeln ist selbstverständlich etwas völlig anderes als unsere Arbeit im Spital, aber dennoch … erzählt Tanya Komissarova, ehrenamtliche Ärztin für den Nachtbus in Moskau.
Eine Art Militärmedizin
Weniger Mittel, weniger Zeit, zahlreiche unbehandelte Krankheiten und Verletzungen: die Sprechstunde im Freien lässt sich natürlich nicht mit derjenigen in einer Arztpraxis vergleichen. Aber genau das macht sie so interessant.
Und trotz allem möchte ich anfügen, dass die Arbeit mit Obdachlosen nicht schwieriger ist als die in einer Poliklinik, sagt uns Tanya Komissarova.

Geduld und nochmals Geduld
Manchmal begegnet uns der obdachlose Sans-Papiers am Anfang mit grossem Misstrauen. Er stellt uns zum Beispiel eine sinnlose Frage, um unsere Reaktion zu prüfen.
Zu Beginn muss man mit solchen Patienten sehr beharrlich sein und stoisch bleiben, sich mit ihnen unterhalten und sie nicht sofort behandeln.
Wir müssen sie beruhigen, ihnen zu verstehen geben, dass wir für sie da sind.
Ihnen zuhören, etwas über ihren Alltag erfahren, über ihr Leben und die Gründe ihrer Situation: das Zuhören hilft schon sehr viel.
Übrigens machen wir Ärzte das nicht auch mit unseren normalen Patienten so? Ihnen zuhören und sie behandeln, ihre Ängste verstehen?

Vor Ort
Nochlechka macht eine bewundernswerte Arbeit, fährt Tanya Komissarova fort.
Ich habe die Organisation an Weihnachten 2019 kennengelernt, an dem Abend, an dem der Nachtbus die Weihnachtsgeschenke verteilte.
Seither habe ich bei der Essensverteilung mitgeholfen. Aber als ich all diese Krankheiten und die Verletzungen der Leute sah, die bei den Haltestellen des Nachtbusses warteten, dachte ich immer, dass man mehr machen könnte.
Und jetzt, wo ich mein Medizinstudium abgeschlossen habe, bin ich ehrenamtliche Ärztin für den Nachtbus in Moskau geworden.
Zusätzlich zu meinen Arztbesuchen helfe ich momentan noch bei der Verteilung einer Broschüre, die sich speziell an Frauen richtet und von Nochlechka herausgegeben worden ist.

Nur für Frauen
Nochlechka hat in einem Dossier eine Menge Informationen zusammengetragen, die auf die Bedürfnisse der obdachlosen und papierlosen Frauen zugeschnitten ist.
Dazu gehören die Angaben zu den Haltestellen des Nachtbusses, aber auch die Möglichkeiten, unsere Spezialisten zu treffen, eine Sozialarbeiterin, einen Psychologen oder eine Anwältin.
Die Frauen erfahren ausserdem, dass wir ein Zimmer haben, um sie zu empfangen, ihnen aber auch Präservative, Schwangerschaftstests, Monatsbinden, Unterwäsche und Kleider abgeben.

Sich sicher fühlen
Die Broschüre informiert die Frauen ausserdem darüber, dass wir ihnen im Falle einer Schwangerschaft helfen, bei einem Gewaltdelikt oder bei der Entscheidung, von der Prostitution wegzukommen.
Wir wollen, dass keine Frau Angst haben muss, dass keine sich schämen muss, und vor allem, dass keine mit ihren Problemen in einer schwierigen Lebenslage allein bleiben muss.
Wir sind da, um sie zu beschützen und ihr zu helfen.
Es ist wichtig, dass die obdachlose Frau sich nicht allein fühlt, dass sie sich in Sicherheit fühlt, bekräftigt Daria Baibakova, die Direktorin von Nochlechka Moskau.
Mehr als je benötigen wir ihre unerlässliche Unterstützung.

Unsere Aufgabe ist riesig, helfen Sie uns, mehr Menschlichkeit zu schenken.

Wichtig: Trotz der Tücken des Boykotts ist es uns immer noch möglich, unsere Unterstützungsbeiträge zu überweisen, die heute noch notwendiger sind als früher.

 

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