An diesem internationalen Tag der Frau müssen die russischen Bürgerinnen Mut beweisen, um ihre Stimme zu erheben, gegen die aktuellen Ereignisse zu protestieren.
Dies ist der Fall bei Daria Baibakowa, Direktorin von Nochlechka Moskau.
Daria schildert uns ihre Eindrücke des Tages, während Russland isoliert ist, die verhängten wirtschaftlichen Sanktionen bereits wirken und eine erbarmunglose Repression in Kraft ist.
Ohne Antwort?
Jeden Tag schreibe ich beim Einschlafen in meinem Kopf.
Ich will für Saschunik, Mika, Dani, Alyonka, Katya, Yura und Aglaya, die noch nicht geboren ist, schreiben. Für die Kinder unserer Familie, die eines Tages bestimmt kommen werden, um uns zu fragen: Weshalb?
Ich habe keine Antwort auf diese Frage, vielleicht bekommen sie diese eines Tages.
Der Cheesecake ist verbrannt
Heute morgen habe ich einen Cheesecake gemacht. Ich habe ihn im Ofen vergessen, er ist verbrannt.
Es gibt keinen Wunsch, es gibt keinen Wunsch mehr.
Kein unabhängiges TV mehr, kein unabhängiges Radio mehr, Ekho Moskvy funktionniert nicht mehr (Die Echos von Moskau haben ihre Sendungen am 3. März 2022 eingestellt).
Seit Beginn des Krieges ist mir immer ein bisschen übel.
Gestern konnte ich micht nicht mehr entschliessen, hinauszugehen. Es war, wie wenn meine Kräfte plötzlich erschöpft wären.
Die Angst im Bauch
Vor dem Verlassen des Hauses überprüfe ich, ob ich alle Identitätspapiere habe.
Es ist besser so, ich habe aussen an den Scheiben meines Autos Zettel geklebt, wo mit Filzstift “Нет войне-Kein Krieg” geschrieben steht. Ich habe auch eine Flagge der Ukraine in Form eines Herzens gezeichnet.
Ich überprüfe meine Dokumente, weil ich erwarte, verhaftet zu werden.
Meine Mutter hat mich gebeten, die Plakate zu entfernen. Sie hat Angst, dass ich eingesperrt werde. Ich beruhige sie mit der Aussage, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass diese lange sichtbar bleiben, dass sie schnell abgerissen werden, obwohl ich mir das Gegenteil erhoffe.
Aber meine Mutter hat immer Angst.
Spannungen in der Famile
Ich habe mit meinem Vater gestritten. Wir haben von der Invasion gesprochen.
Papa schaut Fernsehen und ärgert sich, weil man nichts versteht. Ich versuche, nie mit meinem Vater über Politik zu diskutieren. Ich will Frieden, mindestens in meiner Familie.
Ich erinnere mich nicht einmal, weshalb ich nicht schweigen konnte.
Unsere Nächsten, die uns so oft in Odessa besuchten, sind aus der Stadt geflüchtet. Sie halten sich an der Grenze zu Moldavien auf.
Ich sende ihnen Nachrichten, frage sie, wie es ihnen geht, aber ich verstehe, dass ihnen das nicht hilft.
Trotz allem Maslenitsa
Am Sonntag haben wir Crêpes gegessen, das russische Fest Maslenitsa gefeiert.
Wir sind nicht mit ganzem Herzen dabei, obwohl Saschunik und Iriska mit Freudengeschrei ins Zimmer stürzen.
Kommt, lasst uns ein paar Minuten ihre Unbeschwertheit teilen, träumen wir von der Zukunft, hoffen wir, dass uns die Welt nicht zu sehr hasst.
Wir, die russischen Bürger, wir können nichts dafür.
Mama und der Grossvater haben mein Interview auf dem Kultur-Kanal angeschaut, wo ich über die bevorstehende Eröffnung des Restaurants von Nochlechka in St. Petersburg gesprochen habe. Ein Ort, wo die obdachlosen Sans-Papiers sich beruflich ausbilden können.
Das Interview wurde vor einer Woche aufgezeichnet.
Das war vorher. Und seither ist das Leben vollständig verschieden.
#не на войне #Nein zum Krieg
Bei Nochlechka fahren wir mit unserer Arbeit fort, wir können nicht stoppen, die Obdachlosigkeit ist am 24. Februar 2022 nicht auf wundersame Weise verschwunden.
Unsere Aufgabe geht ohne Unterbruch weiter, dies obwohl sie angesichts des wirtschaftlichen Gegenwindes jeden Tag ein wenig mehr Einsatz, ein wenig mehr Einfallsreichtum verlangt.
Falls Sie die Möglichkeit haben, uns jetzt zu unterstützen, wird uns dies sehr, sehr viel helfen. Herzlichen Dank.