Eine Aufforderung, welche die russischen obdachlosen Sans-Papiers zu oft hören, um aber dem Beamten, Polizisten oder einer anderen Amtsperson ein Identitätspapiere zeigen zu können, müsste man zuerst ein solches besitzen.
Ja, dies ist wirklich nicht einfach, selbst Kafka hätte sich nicht so viel bösartigen Unsinn vorgestellt.
Ihr Gesicht ist für einen Pass ungeeignet
Als Einwohner von Moskau arbeitet Ramazan als Koch bei den Gebrüdern Karavaev, er hat aber zu Beginn der Pandemie seine Stelle verloren, dann seine Unterkunft und schlussendlich seinen Pass (Propiska).
Beim MFC (Multifunktionale Zentren der öffentlichen Dienste), wo er die Erneuerung des Dokumentes beantragte, hat man ihm lapidar erwidert, besser nach Krasnoiarsk zurückzukehren.
Krasnoiarsk, 3’355 Kilometer von Moskau. Das nicht.
Der Beamte hat mir gesagt, dass er keinen internen Pass ausstellen kann, wenn ich keinen Wohnort habe.
Und als ich ihm entgegengehalten habe, dass ich ohne Pass keine Unterkunft haben kann, hat der Beauftragte für Papiere bekräftigt, besser nach Krasnoiarsk heimzukehren, wo ich geboren wurde.
Die Beamten sabotieren die Arbeit
Ramazan ist in unser Empfangszentrum gekommen, er hatte gehört, dass wir den Sans-Papiers helfen, ihre administrative Identität wieder zu erhalten, wie uns Scherzy Alimowa, Angestellte bei Nochlechka, erzählt.
Ramazan hätte sich nicht vorstellen können, dass die Beamten den obdachlosen Sans-Papiers systematisch Hindernisse in den Weg legen, ihre Arbeit verweigern oder sie nachlässig machen, illegale Entschuldigungen erfinden und inexistente Bussen verteilen.
Die Arbeit für die Juristen von Nochlechka ist deshalb noch härter.
Nicht das richtige Profil
Oft brauchen die Funktionäre als Entschuldigung, dass auf dem Foto für den Pass nicht wie vorgeschrieben 80% des Gesichtes abgebildet sind.
Und dies, obwohl wir darauf achten, dass die Fotos strikte den administrativen Anforderungen entsprechen, fährt Scherzy Alimowa weiter.
Na ja, und dann akzeptiert der Beamte das Foto oder nicht, je nach seiner Tagesform.
„Ah, nein, Sie haben nicht 80% ihres Gesichtes“ ist ihr bevorzugter Refrain.
Dmitry Levoschsky, Jurist bei Nochlechka, fügt bei: ein anderer unserer Kunden, Ivan, aus Bashkortostan stammend, hat versucht, beim MFC einen neuen Pass zu erhalten, um seinen verlorenen zu ersetzen.
Das erste Mal haben sie seine Fotographien nicht akzeptiert, sie fanden Ivan zu runzelig, schlecht rasiert. „Ihr Gesicht eignet sich nicht für einen Pass“, haben sie beim MFC beschlossen.
Ich habe den Verantwortlichen des MFC angerufen, berichtet Dmitry Levoschsky, und als Ivan ihnen dasselbe Foto reichte, haben sie es umgehend akzeptiert, haben sich aber trotzdem geweigert, das Dokument zu erstellen.
Ohne Grund, wobei sie sich gleichzeitig über Ivan lustig machten.
Verstoss gegen das Recht
Nebst des Missbrauchs bezüglich der Fotographien ist die am häufigsten verwendete Entschuldigung jene, dass der Geburtsort des Sans-Papier nicht dem Aufenthaltsort entspricht.
Eine andere Taktik ist, den Sans-Papier von einer Zweigstelle des MFC zur nächsten zu schicken, ein Kreis ohne Ende.
Alle diese Kleinlichkeiten sind total illegal, präzisiert Dmitry Levoschsky.
Jeder russische Bürger hat das Recht, einen Pass zu bekommen, ihn zu wiederherzustellen.
Ihre Weigerung ist ein Verstoss, dem wir dauernd gegenüberstehen.
Trennung
Die Angestellten von Nochlechka stellen übereinstimmend fest, dass der menschliche Faktor, die Hautfarbe, eine sehr wichtige Rolle bei diesem negativen Verhalten spielt.
Daria Baibakowa, die Direktorin von Nochlechka Moskau, bestätigt diese soziale Trennung:
Wir haben einen Fall gehabt, wo ein und derselbe Mitarbeiter des MFC an einen unserer Kunden einen Pass ausgestellt hat und am selben Tag vor einem andern Sans-Papier, den wir zu ihm gesandt haben, einen Wutanfall bekam und schrie: „Da ihr mich alle erwischt habt, stoppe ich hier. Richtet Nochlechka aus, sie sollen uns niemand andern mehr senden!“
Die Beispiele dieser systematischen Arglist sind vielfältig. Das Resultat ist stets dasselbe.
Für den Sans-Papier ist die Wiedererlangung der Identität ein Hindernislauf und es gibt für ihn nur den Rat, sich mit viel, viel, viel Geduld zu wappnen.
Eine groteske administrative Böswilligkeit
Beim MFC hat man von einem Kunden von Nochlechka ein Inspektionsprotokoll des Ortes verlangt, an dem er seinen Pass verloren hat: “Gehen Sie zum Polizeioffizier des Bezirks, lassen Sie den Ort, wo Sie den Pass verloren haben, vom Polizeioffizier des Bezirks inspizieren, ihn ein Protokoll erstellen und geben Sie uns eine Kopie davon“.
Die Polizei hat Nochlechka informiert, dass ein solches Protokoll nicht existiert.
Kafka hätte die Beamten des MFC verehrt.
Die Obdachlosigkeit ist am 24. Februar nicht verschwunden
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