Hin und zurück

Trotz der vielfältigen Hilfsangebote von Nochlechka kann es vorkommen, dass ein obdachloser Sans-Papiers wieder rückfällig wird. So auch Alexej.
Es ist nicht leicht, wieder ein geordnetes Leben zu führen, wenn sich die Umstände nicht ändern und man jahrelang auf der Strasse gelebt hat.

Ein “Pendler”
Ich bin 27 Jahre alt und bewege mich ständig zwischen Nochlechka und dem Leben auf der Strasse hin und her. Die Leute von Nochlechka habe ich zum ersten Mal im Jahr 2018 in Sankt Petersburg kennengelernt. Ein rettender Strohhalm. Und heute spreche ich mit Ihnen über das Aufnahmezentrum in Moskau.
Im Jahr 2018 kam ich aus dem Waisenhaus, ohne Papiere und ohne Unterkunft, obschon das Gesetz vorschreibt, dass der Staat uns mindestens ein Zimmer und Identitätspapiere geben muss.
Im Aufnahmezentrum von Sankt Petersburg haben sie mir Papiere verschafft und eine Arbeit gegeben. 2020 hat man mir den Pass gestohlen, ich habe alles verloren und war wieder ohne Obdach.
Ich verdiene etwas Geld mit Schwarzarbeit, spare genug, um nach Moskau zu fahren, wo ich in einem verfallenen Gebäude überlebe.

In der Hauptstadt
Die Geschichte von Alexej kann mit dem Begriff der “episodischen Obdachlosigkeit” umschrieben werden. Jemand lebt auf der Strasse, kommt dann von dort weg und befindet sich eines Tages von neuem auf der Strasse. In solchen Fällen ist es für diese Person wichtig, dass sie uns jedes Mal, wenn etwas nicht funktioniert, um Hilfe bitten kann, erklärt Daria Baibakova, die Direktorin von Nochlechka Moskau.
Im Jahr 2022 hält sich Alexej bei uns auf. Wir versuchen, seine administrative Identität wieder herzustellen. Aber bevor es soweit ist, verschwindet er.

Dem Tod nahe
Alexej kommt im Januar 2025, also mitten im Winter, wieder zurück.
Vor drei Monaten bin ich von der Front zurückgekommen. Eines Morgens im Jahre 2022, als ich nämlich in den Strassen Moskaus herumschlenderte und auf meine administrative Identität wartete, um wieder ein normales Leben zu führen, verhaftete mich die Polizei. Und trotz des Identitätsausweises von Nochlechka haben sie mich mitgenommen. In kürzester Zeit befand ich mich plötzlich in der Gegend des Donbass.
Im November 2024 haben sie mich aus dem Dienst entlassen. Bei meiner Rückkehr nach Moskau landete ich wieder auf der Strasse und wurde krank. Natürlich wegen der Kälte, fügt Alexej bei.
Daria erklärt: Als Alexej wieder bei Nochlechka anklopfte, war er in einem furchtbaren Zustand. Er konnte sich kaum aufrecht halten und hustete schrecklich. Wir liessen einen Krankenwagen kommen.
Dazu ist zu sagen, dass die Obdachlosen sich recht häufig nur bei Nochlechka melden, damit wir die Rettungsdienste anrufen. Sie wissen, dass diese sich sehr selten weigern zu kommen, wenn wir sie rufen.
Alexej hat einen Monat im Spital verbracht, er hat etwa 30 Kilo verloren. Im Aufnahmezentrum hat er sich wieder hochgerappelt, hat an Gewicht zugelegt und seinen bissigen Humor wiedergefunden.

Die Wiedereingliederung
Fast täglich trifft Alexej einen Psychologen und eine unserer Sozialarbeiterinnen. Er geht ausserdem in die Physiotherapie, und seit einigen Wochen kann er wieder ohne Stock gehen.
Vor ein paar Tagen habe ich begonnen, als Sicherheitsangestellter beim VDNKh (das ist eine permanente Handelsmesse) zu arbeiten, und zwar im Pavillon, wo sich gegenwärtig die Gemäldeausstellung der Tretjakow-Galerie befindet. Sie können sich vorstellen, wie zufrieden ich bin, dass ich wieder richtig leben kann. Ich habe meine Identitätspapiere wieder bekommen. Bald werde ich mir ein Zimmer mieten können.
Was für eine verrückte Ironie, wenn man daran denkt, dass mir die Obdachlosigkeit fast eher das Leben gekostet hat als der Krieg.

Unsere Aufgabe ist riesig. Helfen Sie uns, mehr Menschlichkeit zu schenken.

Wichtig: Trotz des Boykotts ist es uns weiterhin möglich, ihre finanzielle Unterstützung weiterzuleiten.

 

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