Weder in der Notfallaufnahme noch im Spital haben sie mir einen Gips angelegt, bei jeder Bewegung der Hand war der Schmerz unerträglich.
Vitali schildert seinen Leidensweg Veronica, eine der Ärztinnen von Charity Hospital.
Trotz der Versprechen und der Fortschritte der Gesetzgebung muss man feststellen, dass die fehlende Aufnahmezusicherung obdachloser Sans-Papiers in den russischen Spitälern dringend zu lösen ist.
Vor vierzehn Tagen
Veronica erzählt, wie alles begonnen hat.
Während einer unserer Streifzüge in Begleitung des Busses von Nochlechka haben wir Vitali angetroffen.
Nach einem schweren Sturz auf gefrorenem Boden schmerzt Vitali die rechte Achsel. Während mehrere Tage versteckt er sich im Untergeschoss eines Gebäudes, bevor er an der Haltestelle des Nachtbusses erscheint.
Wir vermuten sofort ein gebrochenes Schlüsselbein.
Zwischen zwei Busstopps bringen wir Vitali ins nächstgelegene Krankenhaus und übergeben ihn dem Notfalldienst.
Bevor wir wissen, wie seine Übernahme abläuft, erwarten uns andere Überlebende des Winters.
Wir haben Vitali eine Fahrkarte gegeben, damit er dorthin zurückkehren kann, wo er seine Nacht verbringt. Wir haben ihm ebenfalls ein Referenzdokument mit der Diagnose für den behandelnden Arzt ausgehändigt, damit die Untersuchung auf der Notfallstation stattfindet.
Ohne dieses Dokument ist es gemäss unserer Erfahrung fast unmöglich, medizinische Hilfe zu erhalten.
Ignoriert
Am nächsten Abend haben wir Vitali wieder getroffen, fährt Veronica weiter, durch die Ereignisse zunehmend empört.
Nur schon die Art, wie er seinen Arm hält, zeigt sofort, dass er ein Problem hat.
Vitali bestätigt uns: im Krankenhaus haben sie nichts gemacht ausser einer Röntgenaufnahme, welche die Fraktur bestätigt hat.
Diagnose: „Fraktur des rechten Schlüsselbeines mit Verschiebung von Fragmenten“.
Unglaublich, empört sich Veronica, wie konnten sie Vitali angesichts einer solchen Diagnose ziehen lassen, ohne ihn zu behandeln? Dies ist der Medizin unwürdig.
Ohne Mitleid
Wir haben Vitali erneut in den nächstgelegenen Notfall gebracht, aber diesmal ist einer bei ihm geblieben, um zu insistieren, dass sein Schlüsselbein fixiert wird.
Aber vergeblich. Es ist uns nicht gelungen, die Situation zu beeinflussen. Die Ärzte der Notfallstation haben eine Ambulanz gerufen und Vitali wurde in ein anderes Krankenhaus gebracht, wo er ohne Erklärung und ohne Pflege abgeschoben wurde, wie wir später erfahren haben.
Empörend
Ohne Zeit zu verlieren, haben wir den Kommissar für Menschenrechte von St. Petersburg alarmiert und haben seine Unterstützung erhalten.
Wir haben eine gewisse Anzahl Briefe an mehrere Behörden geschrieben, einen unabhängigen Bericht von Fachärzten erhalten und die Aufmerksamkeit auf das Problem gelenkt: ein Obdachloser mit eineme gebrochenen Schlüsselbein erhält keine ärztliche Versorgung.
Wir haben Vitali abgeholt und haben für ihn im Empfangszentrum von Nochlechka eine temporäre Unterkunft gefunden.
Ohne Propiska sind Sie nichts
Die Resultate haben nicht auf sich warten lassen: Vitali wurde in ein Spital gefahren, wo sie sich endlich für seine Verletzung gekümmert haben.
Vitali fühlt sich heute viel besser, sein Schlüsselbein ist geheilt, seine Hand bereitet ihm weniger Schmerzen.
Bei Nochlechka ist Vitali in Sicherheit und alles Nötige wird veranlasst, um seine Identität zurückzuerhalten.
Diese Geschichte, sagt Veronica abschliessend, hebt die Verletzlichkeit der obdachlosen Sans-Papiers hervor, die eine medizinische Versorgung benötigen.
Sie zeigt, in welchem Masse das Fehlen des internen Passes und damit der Krankenversicherung ihre Rechte erheblich limitiert, beispielsweise auf medizinische Leistungen.
Eine Herausforderung, die sie praktisch nicht alleine bewältigen können.
Helfen Sie uns, sie zu unterstützen, wir retten Leben.
Die Obdachlosigkeit ist am 24. Februar nicht auf wundersame Weise verschwunden.
Wichtig: Trotz der Boykottmassnahmen gelingt es uns immer noch, unsere mehr denn je notwendige finanzielle Unterstützung nach Russland zu transferieren.