Gepflegt sein

Es ist nicht so, dass wir keine Lust haben, uns zu waschen, weil wir auf der Strasse leben, ganz im Gegenteil, ruft der 35-jährige Juri aus, den wir beim Ausgang der Duschen antreffen, die sich im Hof des Aufnahmezentrums von Nochlechka in Sankt Petersburg befinden.

Eine angenehme Erleichterung
Jana, die wartet, bis sie mit Duschen an der Reihe ist, doppelt nach: Sie können sich nicht vorstellen, was es heisst, immer diesen Dreck und diesen Gestank mit sich herumzuschleppen und die Reaktionen und den Ekel der Leute zu erleben, die an uns vorbeigehen.
Welche Befreiung ist es jedes Mal, wenn ich spüre, wie das warme Wasser über meinen Körper rinnt! Und dann können wir hier auch noch unsere Klamotten waschen.
Danach fühlt man sich wieder gestärkt, um von Neuem dem schwierigen Leben auf der Strasse die Stirn zu bieten.

Es war einmal
Es ist noch nicht so lange her, als duschen für die obdachlosen Sans-Papiers ein Ding der Unmöglichkeit war, ob in Moskau oder in Sankt Petersburg.
Aus diesem Grunde hat Nochlechka dafür gekämpft, dass sanitäre Einrichtungen gebaut wurden, zu denen alle Frauen und Männer Zugang haben.
Im November 2020, anlässlich der Einweihung der Duschen in Sankt Petersburg, sagte Andrej Tschapajev, der Verantwortliche der humanitären Projekte von Nochlechka: Es missfällt uns, dass einige von den obdachlosen Sans-Papiers schlecht riechen. Aber es käme uns nie in den Sinn, dass sie ganz einfach keinen Ort haben, wo sie sich waschen und ihre Wäsche machen können. Jetzt ist das nicht mehr der Fall.
Im August 2021, anlässlich der Einweihung der sanitären Einrichtungen in Moskau, sagte uns Daria Baibakova, die Direktorin von Nochlechka Moskau: Es schaut nach wenig aus, aber diese Duschen, die von allen Frauen und Männern kostenlos benutzt werden können, sind wie eine Bombe eingeschlagen: „Kostenlose Duschen für uns Obdachlose … das ist ja unglaublich …”.
Wir bieten drei Duschen an, eine davon rollstuhlgängig, sowie fünf Waschmaschinen und fünf Tumbler.

Nur für Frauen
Damit die obdachlosen und papierlosen Frauen sich wohler fühlen, gibt es jetzt spezielle Benutzungszeiten nur für sie.
Jeden Dienstag, von 14 Uhr bis 17 Uhr, sind diese Frauen unter sich, was sehr wichtig ist.
Es gibt nämlich viele unter ihnen, die Gewalt erlitten und andere traumatisierende Erfahrungen gemacht haben.
Daher ist es nach ihrem eigenen Wunsch von grosser Bedeutung, dass sie keinen Männern begegnen, auch nicht in den Gemeinschaftsräumen von Nochlechka.

Sich als Mensch fühlen
Ich habe mich in öffentliche Bäder geflüchtet, die nicht mehr in Betrieb waren. Was für eine Ironie, ich konnte mich dort nicht einmal waschen, weil das Wasser abgestellt war, sagt Zhenya. In einen prächtigen weissen Bademantel gehüllt, wartet sie, dass ihre Kleider gereinigt aus der Maschine kommen.
Zhenya erzählt weiter: Eines Abends hat mir im Nachtbus jemand von Nochlechka von den sanitären Einrichtungen berichtet. Seither ist es für mich ein Vergnügen, mich vom Schmutz befreien zu können, mich ein bisschen wie ein Mensch und nicht wie ein ausgesetztes Tier zu fühlen.

Der Betrieb der Duschen kostet uns 254 Rubel, was etwa 3.20 CHF pro Person entspricht.
Mehr als je brauchen wir ihre unersetzliche Unterstützung.
Unsere Aufgabe ist riesig, helfen Sie uns dabei, mehr Menschlichkeit zu schenken.

Wichtig: Trotz der Tücken des Boykotts ist es uns immer noch möglich, unsere Unterstützungsbeiträge zu überweisen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite ist durch reCAPTCHA und Google geschütztDatenschutz-Bestimmungen UndNutzungsbedingungen anwenden.