Eine Oase der Ruhe

Ein Jahr ist es bereits her, seit das Empfangszentrum für ältere obdachlose Sans-Papiers seine Pforten öffnete.
Im Dorf Siwersky, 60 km von St. Petersburg gelegen, ist das zweistöckige Empfangszentrum geräumig, konfortabel. Es ist mit vier Zimmern, einem grossen Wohnbereich, einer breiten Küche, einer Waschküche und einem Büro für die Sozialassistenten ausgerüstet.
Es ist vollständig rollstuhlgängig. Die Zimmer sind für höchstens vier Personen konzipiert.
Das Zentum kann somit sechzehn obdachlose Sans-Papiers aufnehmen.

Es war Zeit
Unser Empfangszentrum an der Borowaia Strasse 112-B in St. Petersburg ist eigentlich nicht für ältere Leute mit physischen und psychischen Behinderungen geeignet, die sie während der gnadenlosen Realität auf der Strasse erlitten.
Heute beherbergen wir 13 Frauen und Männer in einem der angenehmsten und einem beruhigenden Rahmen.
Während ihres Aufenthaltes arbeiten unsere Juristen daran, dass sie ihre Identität zurückerhalten und unsere Sozialassistenten sind bestrebt, ihnen Plätze in Heimen zu finden. In der Zwischenzeit erhalten unsere Gäste notwendige medizinische und psychologische Pflege, sagt uns Andrei Tschekrygin, Sozialarbeiter im Zentrum.

Die Angstgefühle vor einem neuen Universum
Als der 77 jährige Alexey Arkadiewisch Panfilov im Zentrum ankam, war er vollständig verloren, äusserst beunruhigt.
Mit einer leichten Jacke bekleidet, barfuss, hat sich Alexey Arkadiewisch Panfilov auf eine Bank gesetzt, seinen Gehstock neben ihm, der Blick ins Leere. Seine Hände zitterten so stark, dass er die Tasse Tee, die wir ihm anboten, nicht halten konnte.
Die älteren Leute wie Alexey sind besonders verletzlich. Grosse Anstrengungen sind notwendig, um sie wieder auf die Beine zu bringen.
Heute, einige Wochen später, erinnert sich Alexey Arkadiewisch Panfilov ein wenig an sein vorhergehendes Leben.
Ich bin in Leningrad geboren, wo ich 1968 vom Polytechnikum mein Diplom erhielt und 1979 meine Dissertation an der Fakultät für Maschinen einreichte. Im gleichen Jahr bin ich als Forscher für Ethylen unter hohem Druck nach Weisrussland gezogen.

Vergesslich
Später, viel später, bin ich nach St. Petersburg, dem ehemaligen Leningrad, zurückgekehrt. Ich muss eingestehen, dass ich mich nicht mehr erinnere, wie ich dort ankam. Ich habe einen riesigen weissen Nebel, der meine letzten Erinnerungen verschleiert.
Wie lange bin ich auf der Strasse herumgeirrt? Keine Ahnung. Ich weiss nicht einmal, wie Nochlechka es schaffte, meine Identität zurückzubekommen.
Man hat mir erzählt, dass ich keinerlei Identitätspapier auf mir trug, als ich vermutlich von einer karitativen Person zum Nachtbus begleitet wurde.

Andrei Tschekrygin erkärt, es ist nicht selten, dass der Obdachlose durchdreht. Das Überleben ist so hart, dass der Abwehrmechanismus geradezu ausgelöscht wird.
Andere kommen in einem erbärmlichen physischen Zustand.
Unsere Gäste verlangen viel Aufmerksamkeit und wir sind stolz, dass wir ihnen seit einem Jahr die Möglichkeit geben können, davonzukommen.
Wir sind die einzigen in Russland, die ältere obdachlose Sans-Papiers empfangen, ihnen einen für sie speziell konzipierten Ort anbieten, fasst Andrei Tschekrygin zusammen.

Unsere Aufgabe ist riesig, helfen Sie uns, Leben zu retten, der Winter ist da.

Wichtig: trotz der Boykott-Massnahmen gelingt es uns immer, ihre finanzielle Unterstützung zu transferieren.

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