Nicht wie die anderen

Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich nie wie eine richtige Frau gefühlt, oder wie ein gepflegter, sauberer Mensch, erzählt Nigora mit Tränen in den Augen. Nigora hat heute im Aufnahmezentrum für ältere Obdachlose Zuflucht gefunden. Man sieht ihr die sechzig Jahre gut an. Ihr Gesicht ist gezeichnet vom Überleben und den vielen Jahren, die sie auf den Strassen von Sankt Petersburg verbracht hat.
Niemand hat mich je geliebt. Als Kind wurde ich immer abgelehnt, und als Mutter habe ich es selbst auch nicht besser gemacht.
Jetzt habe ich überhaupt keine Energie mehr, ich fühle mich so erschöpft.

 Wieder Hoffnung geben
Unser erstes Ziel ist es, ihr Selbstvertrauen wieder herzustellen, erklärt Andrei Tschekrigin, Sozialarbeiter im Zentrum. Wir müssen auch ihren körperlichen Zustand verbessern.
Nigora nickt und fügt hinzu: Es ist im Moment schwer zu sagen, ob ich es schaffe. Ausserdem stelle ich immer alles in Frage, jede meiner Handlungen. Ich weiss nicht, was passiert, wenn ich hier weggehe. Wenigstens fühle ich mich hier sicher.
Ältere Menschen wie Nigora sind besonders verletzlich. Es bedarf vieler Anstrengungen, um sie wieder auf die Beine zu bringen, meint Andrei Tschekrigin.

Die Angst vor der normalen Welt
Egal, wie alt eine Person ist, wir bemühen uns darum, dass sie ihre administrative Identität wiedererlangt, ihre Altersrente bekommt, wenn nötig in ein Heim ziehen kann und alle Pflegeleistungen erhält, die sie benötigt. Das ist eine Menge Arbeit, betont Andrei Tschekrigin.
Zu uns kommen auch ältere obdachlose Sans-Papiers, die vorübergehend in einer staatlichen Unterkunft Zuflucht gefunden haben. Dort sind die Regeln sehr streng und man darf nicht raus. Die Vorschriften kennen keine Ausnahmen, obwohl die Person, die nach Monaten oder Jahren des Umherziehens dort ankommt, überhaupt nicht auf diese Art von gesellschaftlicher Disziplin vorbereitet ist.
Bei Nochlechka berücksichtigen wir das. Die soziale und psychische Arbeit, die wir unseren Schützlingen zukommen lassen, ist von grösster Bedeutung. Es reicht nicht, sie nur zu beherbergen; man muss sie in jeder Hinsicht aufpäppeln.
Nigora sagt nichts, sie hört nur zu und nickt mit dem Kopf. Und plötzlich: Es gefällt mir hier sehr gut, es ist ruhig, die Menschen sind nett, aber werde ich es schaffen? Es ist sehr beängstigend, nicht zu wissen, wie man seine Zeit verbringen soll. Ich weiss nicht, was mich interessiert. Früher, auf der Strasse, war ich ständig damit beschäftigt, zu überleben.

 Die Wiedereingliederung
Unsere Schützlinge benötigen viel Aufmerksamkeit. Wir sind stolz darauf, ihnen die Möglichkeit zu geben, aus ihrer Misere herauszukommen.
Wir sind die einzigen in Russland, die ältere obdachlose Sans-Papiers aufnehmen und ihnen einen speziell für sie eingerichteten Ort anbieten können, sagt Andrei Tschekrigin.
Dieses einzigartige Aufnahmezentrum im Dorf Siwerski, 60 km von Sankt Petersburg entfernt, hat zwei Stockwerke, ist geräumig, komfortabel und hübsch eingerichtet. Es verfügt über vier Schlafzimmer, ein grosses Wohnzimmer, eine geräumige Küche, eine Waschküche und ein Büro für die Sozialarbeiter.
Es ist vollständig rollstuhlgängig. Die Zimmer sind für maximal vier Personen ausgelegt.
Das Zentrum bietet Platz für sechzehn ältere Obdachlose.

Ob sie alt sind oder nicht, täglich helfen wir Hunderten von obdachlosen Sans-Papiers.

Danke, dass Sie uns unterstützen und uns helfen, Leben zu retten.

Wichtig: Trotz der Tücken des Boykotts ist es uns weiterhin möglich, unsere dringend benötigte finanzielle Unterstützung an Nochlechka zu überweisen.

 

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