Igor Borissowitsch, 56 Jahre alt, irrt seit mehreren Monaten auf der Strasse umher. Igor Borissowitsch trinkt. Er trinkt viel.
Richtig, ich saufe bis zum Umfallen, gesteht Igor. Mehr noch als die Strasse, die einem dazu bringt, Zuflucht im Trinken zu finden, ist es die Armee, die mich zum Alkoholiker gemacht hat. Es ist dringend nötig, dass ich davon wegkomme, aber wie soll ich das schaffen ohne Papiere?
Fehlende soziale Strukturen
Solche Situationen machen Slava Minin, der Koordinatorin unseres Rehabilitationszentrums in Sankt Petersburg, grosse Sorgen.
Wie können wir den Obdachlosen helfen, die sich in grosser Alkoholabhängigkeit befinden? Diese Sucht ist eine chronische Krankheit, erklärt Slava. Sie ist eine geläufige Folge der Obdachlosigkeit und des Fehlens eines sozialen Auffangnetzes, das allen, die auf der Strasse leben und überleben, zugänglich ist.
Das Problem der Alkoholsucht ist noch schlimmer, wenn es kalt ist. Die obdachlosen Sans-Papiers sind noch ängstlicher, es gibt keine sicheren Schlafgelegenheiten, es ist unmöglich, sich aufzuwärmen. Der Alkohol wird dann leider zum einzigen verfügbaren Mittel, um zu vergessen, einzuschlafen und dem ständigen Stress zu entfliehen, betont Slava.
Eine teuflische Spirale
Mangels Geld trinken die Obdachlosen häufig gepanschten Alkohol, aber auch antiseptischen Alkohol, Eau de Cologne, Reinigungsmittel, Franzbranntwein. Sie können sich vorstellen, welche Schäden diese Mittel anrichten.
Manchmal haben diese Gifte ein Alkohol-Koma zur Folge, das im Winter schnell zum Tod auf der Strasse führen kann.
Man muss keine übersinnlichen Fähigkeiten besitzen, um sich bewusst zu werden, dass obdachlose Personen oft lange Zeit ohne Hilfe bleiben. Je stärker das Risiko wächst, dass sie zu trinken beginnen, desto schlimmer wird die Abhängigkeit und desto kleiner die Chance, sich der Sucht zu stellen, ergänzt Slava Minin.
In die richtige Richtung.
Das Rehabilitationszentrum kann 14 obdachlose Sans-Papiers aufnehmen. Sie werden von Psychologinnen, Suchtberatern und Sozialarbeiterinnen betreut.
Slava Minin, ist der Ansicht, dass eine alkoholabhängige Person nicht verurteilt, sondern unterstützt werden soll. Der Alkoholismus ist eine Krankheit. Uns machen vor allem die Ursachen Sorgen, die zur Sucht führen. Damit ein Süchtiger lernt, mit seiner Krankheit zu leben, muss man ständig etwas tun. Es ist nicht nur eine Willenssache.
Es braucht intensive, tägliche Anstrengungen, die es der Person nach und nach ermöglichen, die Sucht in den Griff zu bekommen. Die mittlere Dauer der Rehabilitation liegt bei sechs Monaten. Unsere Pensionäre müssen zwölf Etappen durchlaufen. Sie nehmen an gemeinsamen und individuellen Kursen teil. Sie lernen ihre Gefühle kennen und mit ihnen umzugehen, sagt Slava weiter.
Der erste Schritt, eine schwierige Prüfung
Die erste Etappe im Kampf gegen die Alkoholabhängigkeit ist nicht die Aufnahme im Zentrum. Um am Programm teilnehmen zu können, muss der Obdachlose bestätigen, dass er während eines Monats trocken geblieben ist. Er kann dieses schwierige Ziel in einer speziellen Einrichtung für Entzug erreichen oder sich einer Entziehungskur in der städtischen Klinik für Suchtkranke unterziehen. Die beiden Stellen haben einen Partnerschaftsvertrag mit Nochlechka unterzeichnet.
Unser Rehabilitationszentrum ist das ganze Jahr über geöffnet und es kostet nichts. Ziel ist es, dem Obdachlosen zu ermöglichen, ein würdigeres Leben zu führen, sagt Slava zum Schluss.
Ein Opfer weniger
Zweifellos wäre Igor Borissowitsch diesen Winter gestorben, wenn er nicht zum Nachtbus gekommen wäre, was es uns ermöglichte, uns um ihn zu kümmern und ihn in unser Rehabilitationszentrum aufzunehmen.
Diese Todesfälle sind ebenso auf die Kälte zurückzuführen wie auf den Alkohol und das totale Fehlen staatlicher sozialer Strukturen, die sich um die obdachlosen Sans-Papiers kümmern, vor allem dann, wenn die Temperaturen eindeutig unter null Grad fallen.
Unsere Aufgabe ist riesig. Helfen Sie uns, Leben zu retten.
Wichtig: Trotz der Boykottmassnahmen ist es uns weiterhin möglich, Ihre Unterstützungsbeiträge zu überweisen.