In Russland habe die obdachlosen Sans-papiers keine Rechte. Sie haben keinen Zugang zu Sozialleistungen und zu medizinischer Versorgung.
Es soll in Russland 2’130’000 Obdachlose geben, davon 238’000 in Moskau und 64’000 in Sankt Petersburg.
80% davon sind Männer, 20% Frauen.
80% der Obdachlosen sind russische Staatsbürger, 74% hatten einen Beruf, 44% hatten eine Arbeit, 44% sind weiterhin mit ihren Angehörigen in Kontakt, 40% sind weder alkohol- noch drogenabhängig, 25% waren schon einmal im Gefängnis, 15% sind im Rentenalter, 9% haben mit einem Diplom abgeschlossen und haben Kinder, 9% sind Waisen.
Die Unsichtbarkeit der obdachlosen Frauen ist eine Hauptsorge von Nochlechka.
Die Obdachlosigkeit betrifft Frauen ebenso wie Männer. Die Frauen fragen jedoch seltener um Unterstützung nach; daher sind sich auch nicht immer in den Statistiken berücksichtigt.
Das durchschnittliche Alter eines Obdachlosen beträgt 47 Jahre. Die Lebenserwartung der obdachlosen Männer beträgt 6 Jahre, jenes der Frauen 8 Jahre. Meistens sterben sie auf der Strasse.
Man geht davon aus, dass die Wiedereingliederung in die Gesellschaft sehr schwierig wird, wenn man mehr als zwei Jahre auf der Strasse gelebt hat.
Heute kann man eine Zunahme der Obdachlosigkeit feststellen. Es ist anzunehmen, dass sie eine Folge des Kriegs in der Ukraine ist.
Ausbildung
28% haben eine Primarschule besucht.
41% haben eine Sekundarschule besucht.
18% haben eine höhere Ausbildung erhalten, diese aber nicht abgeschlossen.
0,5% haben überhaupt keine Schulbildung.
0,4% haben eine Sekundarschule besucht, sie aber nicht abgeschlossen.
12,1% haben nicht geantwortet.
Die Gründe der Obdachlosigkeit
Die Arbeit (44%)
Niemand ist vor Arbeitslosigkeit geschützt. Ein Unternehmen kann plötzlich schliessen, ein Arbeitgeber kann den Arbeiter betrügen, ihm den Lohn nicht zahlen und ihn auf die Strasse stellen. Ausserdem gibt es Leute, die aus einer anderen Stadt kommen und am neuen Ort keine Arbeit finden. Für sie ist es beinahe unmöglich, für ihren Unterhalt aufzukommen. In all diesen Fällen landen die Menschen auf der Strasse.
Die Wohnung (38%)
Die Wohnungsnot ist ebenfalls eine der Ursachen der Obdachlosigkeit. Der Verlust der Arbeitsstelle infolge einer Erkrankung kann dazu führen, dass die Miete nicht mehr bezahlt werden kann. Das Verhalten eines korrupten Vermieters oder sogar der eigenen Familie kann ebenfalls zum Verlust der Wohnung führen. Auch in diesen Fällen steht die Person auf der Strasse.
Umzug in eine andere Stadt (30%)
Auf der Suche nach einer besser bezahlten Arbeit müssen viele russischen Bürger ihre Region verlassen und in die grossen Wirtschaftszentren ziehen. Da kann es vorkommen, dass dieser Umzug schlecht verläuft: Der Arbeitssuchende wird vom Arbeitgeber oder vom Vermieter schlecht behandelt oder betrogen. Auch das führt zu Obdachlosigkeit.
Verlust von persönlichen Dokumenten (26%)
Seltsamerweise sind in Russland die persönlichen Rechte nicht an die Person gebunden, sondern an ihren Wohnsitz. Wenn jemandem die Propiska abhanden kommt, ist es unmöglich, eine Wohnung zu behalten oder eine neue zu finden, und man landet auf der Strasse.
Familiäre Probleme (23%)
Oft führen familiäre Konflikte zu Obdachlosigkeit. Nach Streitereien, Beleidigungen, Demütigungen oder Gewalttätigkeiten kann es geschehen, dass jemand beschliesst, definitiv wegzugehen. Es kommt auch vor, dass jemand von anderen Familienmitgliedern vertrieben wird, damit diese den Besitz des Vertriebenen (ein Zimmer, eine Wohnung, ein Haus) an sich reissen können. Auch in diesem Fall landet das Opfer auf der Strasse.
Süchte (13%)
Es ist ein Klischee, dass Alkohol- und/oder Drogenabhängigkeit Menschen in die Obdachlosigkeit treibt.
Aber die jährlichen Statistiken belegen, dass die Sucht im Allgemeinen nicht eine Ursache, sondern eine Folge ist. Meistens entsteht eine Sucht dann, wenn jemand bereits auf der Strasse lebt. Der Alkohol, so glaubt man, wärme den Körper auf, die Drogen sollen helfen zu vergessen.
Krankheiten und Verletzungen (13%)
Wenn eine Person krank wird oder sich verletzt, ist ihre Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Sind die gesundheitlichen Probleme schwerwiegend, so ist es nicht mehr möglich, für den eigenen Unterhalt aufzukommen.
Die Situation wird tragisch, wenn die Familie oder Angehörige nicht beistehen können. Ohne Geld und ohne Unterkunft landet man auf der Strasse.
Gefängnisstrafe (7%)
Wenn man aus dem Gefängnis kommt, ist es oft schwierig, wieder ein normales Leben zu führen. Man hat keine Propiska und ein Eintrag im Vorstrafenregister macht die Sache auch nicht leichter. Dazu kommt noch, dass die Familien eines Inhaftierten während seines Gefängnisaufenthalts oft den Kontakt mit ihm abbrechen. 26% der Obdachlosen geben an, dass sie im Gefängnis gesessen haben. Bei 7% von ihnen ist das Gefängnis der Grund ihrer Obdachlosigkeit.
Unredlichkeit des Arbeitgebers (6%)
Ist eine Person nicht vorschriftsmässig angestellt, kann ein dreister Arbeitgeber ihr einfach keinen Lohn auszahlen. Für jemanden der schwarz arbeitet, ist es beinahe unmöglich, seine Rechte geltend zu machen und das ihm geschuldete Geld zu erhalten. Und ohne Geld gibt es keine Unterkunft. Somit steht die Person auf der Strasse.
Betrug oder Erpressung (6%)
Oft verlieren Leute ihre Ersparnisse und ihren Besitz wegen betrügerischer Machenschaften. Die ersten Opfer sind Alleinstehende, Waisen, ältere Leute und Leute mit einer geistigen Beeinträchtigung.
Da es niemand gibt, der sich für sie einsetzt, landen sie auf der Strasse.
Das Total der Prozentzahlen dieser Studie übersteigt 100%. Dies, weil mehrere Ursachen zusammen dazu führen können, dass ein Mensch auf der Strasse landet.
Herkunft der Statistiken
Es ist unmöglich, sich auf die offizielle Volkszählung der Jahre 2020-2021 zu verlassen. Sie kommt auf 32 Obdachlose.
Im Jahr 2022 haben die Forschungsgesellschaft Validata und Nochlechka eine Studie über die Obdachlosen in Russland gemacht.
Ausserdem sammelt Nochlechka Informationen über ihre verschiedenen humanitären Aktionen und auch bei diversen anderen russischen NGOs, die den Obdachlosen Hilfe zukommen lassen.
Mehr Informationen finden sie im Tätigkeitsbericht von Nochlechka aus dem Jahr 2023.
Für alle weiteren Informationen wenden Sie sich bitte an info@suissesolidaire.org
Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine sind wir eine der ganz wenigen ausländischen NGOs, welche die obdachlosen und papierlosen Menschen in Russland unterstützen.
Helfen Sie uns, mehr Menschlichkeit zu schenken.
Wichtig: Trotz der Tücken des Boykotts gelingt es uns immer, Ihre finanzielle Unterstützung weiterzuleiten.