Unbemerkt vom Blitz getroffen

Dies habe ich nicht kommen sehen, erinnert sich Dimitri, bereits seit sechs Monaten obdachloser Sans-Papier.
Plötzlich war ich auf der Strasse, keine kuschelige Wohnung mehr, keine Arbeit mehr, keine Partnerin mehr, keine Familie mehr.
Es war, als hätte mich der Blitz getroffen.

Wettervorhersage
Die meteorologische Analogie illustriert die abrupte soziale Änderung, mit der sich der russische Bürger konfrontiert sehen kann.
Dascha Amosova, verantwortlich für die Public Relations bei Nochlechka Moskau, verwendet diese klimatische Metapher oft, um die Absurdität der Obdachlosigkeit zu erklären.

Am Meeresstrand
Sie erzählt uns:
Wenn ich alle diese auf völlig absurde Weise auf die Strasse gestellten und um alles gebrachten Personen sehe, stelle ich mir eine Frau, einen Mann, Händler in einer Küstenstadt wie Sotchi vor, durch die Gassen der Altstadt schlendernd.
Es ist schön, einige leichte Wolken, und plötzlich, wie öfters am Meer, eine Sturmböe, starke Schauer.
Unser Spaziergänger, vom Unwetter überrascht, wird völlig durchnässt. Erstaunlicherweise sind die andern Passanten aber nicht nass.

Die Stigmatisierung
Es giesst aus Kübeln, die Frau, der Mann, tropfnass, versteht nicht, was passiert.
Aber weshalb? Meine garantiert wasserdichten Kleider werden nass, was tun? Dies ist ungerecht, ruft sie/er verzweifelt aus.
Die in der gleichen Strasse marschierenden Leute beginnen, argwöhnisch zu schauen, beurteilen die andersartige, durchnässte Person und verurteilen sie.
Wie ist dies möglich, dass dieses Wesen so durchnässt ist? Hat es keine geeigneten Kleider? Macht es dies absichtlich? Es handelt sich vermutlich um einen Zug seiner Persönlichkeit. Es ist zweifelohne sein Fehler.
Diese aquatische Vision ist trotzdem äusserst unangenehm, murmeln die durch die Szene gestörten Passanten immer lauter.
Sie fügen mürrisch bei: man muss diesen durchnässten Spaziergänger entfernen, ihn nicht mehr an Orten lassen, wo es regnet, ihn in die Wüste Tchara schicken.

Die guten Menschen…
In keinem Moment denken unsere netten Passanten daran, dass die Kleider des unglücklichen Spaziergängers defekt sind, eine Anomalie der Wasserundurchlässigkeit aufweisen, dass deren Besitzer keineswegs dafür verantwortlich ist.
Es bietet ihm auch niemand einen Regenschirm an.

Lass unsern Spaziergänger ertrinken, fern von unsern Augen, das ist das Beste aus ihrer Sicht.

Das ist sein Fehler
Da sind wir angelangt, unterstreicht Dascha Amosova. Oder fast.
Wir müssen trotz allem anerkennen, dass Nochlechka in den 32 Jahren seiner Existenz erreicht hat, dass sich die Denkweise des russischen Bürgers Lambda gegenüber dem obdachlosen Sans-Papier ein wenig verbessert hat.
Oh, nur ein kleines Bisschen.
Die überwältigende Mehrheit der Russen glaubt immer noch, dass diese armen Kerle Opfer ihrer angeborenen Faulheit und ihres Alkoholismus sind.
Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Hunderttausenden auf der Strecke gebliebenen in den allermeisten Fällen Opfer des bürokratischen Systems, der Propiska, sind.

Nochlechka, der Zufluchtsort
In unserem Gleichnis kann unser Spaziergänger weder den Regen noch die Qualität seiner Kleider kontrollieren.
Nochlechka weiss es, unabhängig vom Status der Unglücklichen, des Notleidenden, ist die NGO da, sich um sie zu kümmern, ihnen dabei zu helfen, da rauszukommen, die NGO ist da, um eine administrative Existenz, ein weniger belastendes Dasein wiederzufinden.

Ihre Unterstützung ist wesentlich. In diesen Zeiten grosser Kälte noch mehr.
Danke für ihre Hilfe, Sie retten Leben.

Wichtig: Trotz der Boykottmassnahmen gelingt es uns immer noch, unsere mehr denn je notwendige finanzielle Unterstützung nach Russland zu transferieren.

 

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