Pure Verzweiflung

Es gibt ein Klischee, das an den Obdachlosen klebt: Alles Alkoholiker! Richtig ist, dass viele von ihnen, sobald sie auf der Strasse landen, im Alkohol ein Mittel sehen, um den grauenvollen Überlebensbedingungen zu entfliehen.
Nochlechka versucht, die Obdachlosen aus dieser schrecklichen Abwärtsspirale zu befreien.

Es ist unwichtig, aus welcher Flasche man trinkt
Im Winter ist der Konsum noch grösser. Man sagt ja, dass Alkohol den Körper erwärmt. Ein allgemein bekannter Spruch, den nicht nur Obdachlose gebrauchen, obwohl er medizinisch völlig unhaltbar ist.
Die Verantwortliche des Wiedereingliederungsprojekts von Nochlechka, Slava Minin, erklärt uns das Alkoholproblem der obdachlosen Sans-Papiers in seiner ganzen Komplexität.
Auch wenn der Alkoholkonsum für die Obdachlosen eine grosse Bedrohung darstellt, versuchen sie bei einem grossen Kälteeinbruch, sich mit Alkohol zu wärmen, mangels einer anderen Lösung, und laufen Gefahr, einzuschlafen und zu erfrieren.
Alle Mittel sind gut, wenn es darum geht, den starken Stress zu vergessen, den der Alltag mit sich bringt.
Weil das Geld fehlt, weicht der Obdachlose oft auf Antiseptika aus wie Kölnisch Wasser, Reinigungsmittel, Alkohol zum Einreiben usw., mit den Folgen, die man sich leicht vorstellen kann.

Ihrem Schicksal überlassen
Je länger ein Obdachloser ohne Unterstützung bleibt, desto öfter trinkt er, fährt Slava Minin fort. Die Abhängigkeit wird immer grösser und die Person hat immer weniger die psychische und die physische Kraft, sich ihr zu widersetzen.
Es scheint, als ob ältere Leute mehr dazu neigen, eine starke Abhängigkeit zu entwickeln.
Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in Russland keine Einrichtung, die sich um obdachlose Sans-Papiers kümmert, erst recht nicht um die alkoholabhängigen und drogensüchtigen Menschen.

Wir wissen, dass ohne amtliche Papiere, wozu auch die berüchtigte Propiska zählt, alle Tore der Behörden doppelt verriegelt sind, einschliesslich die der Pflegezentren.

Auf halbem Wege
Das Wiedereingliederungsprogramm von Nochlechka ist eines der wenigen, die es obdachlosen Sans-Papiers ermöglichen, aus ihrer Abhängigkeit herauszufinden. Es ist von einem sozialen Modell inspiriert, das in Ottawa entwickelt wurde. Mit einer gewichtigen Ausnahme: bei Nochlechka ist der Alkohol strengstens verboten.
Das Rehabilitationszentrum wurde Mitte Juni 2019 eröffnet und auf den Namen «Auf halbem Wege» getauft. Es kann 14 Personen aufnehmen, die dort Pflege, Unterkunft und Essen erhalten. Die Maximaldauer des Aufenthalts beträgt sechs Monate. Das Projekt basiert auf den Prinzipien der Vereinigung der Anonymen Alkoholiker.
Die Rehabilitation besteht aus Einzel- und Gruppensitzungen mit Suchtberatern und Psychologinnen. Die täglichen Sitzungen werden von Betreuern geleitet sowie von vormals abhängigen obdachlosen Sans-Papiers, die ihre Sucht überwunden haben.
Ausserdem helfen die Anwältinnen und Anwälte von Nochlechka jeder Person dabei, ihre juristischen und administrativen Probleme zu lösen, und erleichtern ihr damit die Rückkehr in einen menschlicheren Alltag.

Ein steiniger Weg
Um am Projekt teilzunehmen, muss die süchtige Person zuerst eine medikamentöse Entwöhnung über sich ergehen lassen, sagt Slava Minin. Auf diese Weise wird der Grundstein zu einer bewussten Motivation und zur Wiedereingliederung gelegt. Auf dieser Basis gestaltet der Süchtige mit unserer Hilfe sein Leben ohne Alkohol: er lernt, aufkommenden Schwierigkeiten die Stirn zu bieten, zu arbeiten und sich ohne Alkohol zu entspannen, sich zu freuen und Freizeit ohne Alkohol zu geniessen, sich ohne Alkohol zu streiten oder zu verlieben, kurz ein gewöhnliches Leben ohne Alkohol zu führen.
70% der Teilnehmenden beenden unser Programm als Geheilte und können ein normales Leben führen, haben eine Arbeit und eine Unterkunft.

Unsere Aufgabe ist riesig, helfen Sie uns, Leben zu retten, jetzt, wo der Winter da ist, erst recht.

Wichtig: Trotz der gegen Russland verhängten Sanktionen ist es uns immer noch möglich, Ihre Unterstützungsbeiträge zu überweisen.

 

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