
Können Sie sich vorstellen, wie es ist, bei dieser grossen Hitze keinen Zugang zu Wasser zu haben? Nein, natürlich nicht. In der Schweiz gibt es kaum Menschen, die ohne diese kostbare Flüssigkeit auskommen müssen.
Das ist bei den obdachlosen Sans-Papiers in Moskau und in Sankt Petersburg anders. Für sie ist das Wasser ebenso selten und kostbar, wie wenn sie sich mitten in der Wüste befinden würden. Katharina erzählt uns, wie sie sich abplagen muss, um ihren Durst zu stillen, ihre Kleider und sich selbst zu waschen.
Ein tödliches Getränk
Die ganzen Jahre über, seit ich auf der Strasse zu überleben versuche, trinke ich aus den Kanälen. Ich weiss schon, dass sie völlig verseucht sind. Sagen Sie nichts, ich habe schwer gelitten, erklärt Katharina.
Dr. Marina Kolmakova zählt auf: Durchfall, Krätze, Hepatitis, Flechte, Hautinfektionen, Bindehautentzündung, Ohrenentzündung, Salmonellen, Amöben, Rotavirus. Wasser ist zwar unverzichtbar für jedes Lebewesen, aber es kann auch Auslöser vieler Krankheiten sein und manchmal zum Tod führen, erklärt sie.
Wir wissen das schon, aber was sollen wir machen?, fragt Katharina. Vor allem während der Hitzeperioden verdursten wir beinahe. In ein Café gehen und auf der Toilette Wasser trinken? Unmöglich. Auch in den Bahnhöfen geht das nicht. Sie glauben doch nicht, dass die Betreiber öffentlicher WC-Anlagen es zulassen, dass Tausende von schmuddeligen Obdachlosen kommen, um dort ihren Durst zu löschen?
Wenn die Luftfeuchtigkeit 80% übersteigt, wie es heute der Fall ist, dann ist es kaum auszuhalten.
Eine Oase
Kürzlich habe ich erfahren, dass die Organisation Nochlechka Wasserflaschen verteilt, sagt Katharina. Ausserdem wurden Räume geschaffen, in denen man duschen und seine Kleider waschen kann. Deshalb bin ich hier.
Hier kannst du dich mit warmem Wasser waschen. Ich hatte ganz vergessen, was das ist, warmes Wasser. Du kannst dich entspannen und dich erholen, einen Film anschauen, mit den anderen Frauen sprechen. Weisst du, dass die Beine höher liegen müssen als der Kopf, wenn du dich erholen willst? Aber wo kann man sich so hinlegen? Am Bahnhof? Auf der Strasse?
Die Obdachlosen überleben ohne Trinkwasser, sei es warmes oder kaltes. Es gibt ganz einfach keinen einzigen Ort in der Stadt, an dem man duschen kann, ohne dass man seine Identitätskarte zeigen muss und ohne dass man dafür bezahlen muss. Zudem ist es völlig unmöglich, in schmutzigen und übelriechenden Kleidern in ein Café zu gehen, in ein öffentliches Verkehrsmittel zu steigen oder irgendeine Arbeitsstelle zu finden. Es ist ein richtiger Teufelskreis.
Ein Recht
Der Zugang zu Wasser sollte kein Privileg sein, erklärt Danil Kramorow, der Präsident von Nochlechka.
Es missfällt uns, das gewisse Obdachlose schlecht riechen, aber es kommt uns nie in den Sinn, dass sie schlicht und einfach keinen Ort haben, an dem sie sich waschen und ihre Wäsche machen können.
An jedem Hitzetag verteilen wir eine grosse Zahl von Wasserflaschen, etwa 1’100 Liter Wasser in Moskau und 400 Liter in Sankt Petersburg.
Der Zugang zu Trinkwasser sollte ein unabdingbares Recht sein. Wie ist es möglich, dass im Jahr 2025 in Russland Zehntausende von Menschen diesen Zugang nicht haben? Ist es normal, dass es eine kleine NGO ist, die mit ihren beschränkten Mitteln die Aufgabe des Staates übernehmen muss?, fragt sich Danil Kramorow.
Dank Nochlechka können die obdachlosen Sans-Papiers in Sankt Petersburg und in Moskau gratis duschen, sich waschen und ihre Kleider waschen und trocknen. Man braucht keine Papiere, kein Geld, keinen festen Termin. Wichtig ist nur, dass man während der Öffnungszeiten kommt und dann wartet, bis man an der Reihe ist.
In diesen beiden Städten sind es Zehntausende, die als Obdachlose und Papierlose unter schrecklichen Bedingungen überleben müssen.
Unsere Aufgabe ist riesig. Helfen Sie uns, damit sie wieder Hoffnung schöpfen können.
Wichtig: Trotz der Boykottmassnahmen ist es uns weiterhin möglich, Ihre finanzielle Unterstützung weiterzuleiten.