Ohne Dach über dem Kopf, ohne AIDS

Seit Anfang September informiert Nochlechka mit einer grossangelegten Kampagne die obdachlosen Sans-Papiers, dass sie sich in der Arzneiausgabe der NGO auf AIDS testen lassen können.
Das Projekt wird durch die Stiftung „Hilfe auf dem Gebiet von AIDS“ unterstützt.

Ein Recht für alle?
Unser Ziel ist es, auch den obdachlosen Sans-Papiers den Zugang zu diesem Test zu ermöglichen, sie über die Diagnose zu informieren und, falls nötig, eine geeignete Behandlung zukommen zu lassen, erklärt uns Grigory Swerdlin, Direktor von Nochlechka.
Der HIV-Virus ist keine tötliche Krankheit mehr, man muss jedoch die geeignete Behandlung sicherstellen. Der Test zeigt auf, wie verbreitet die Krankheit unter den Obdachlosen ist.
Tatsache ist, dass jeder Kranke eine Behandlung erhalten sollte, ob er nun druch die Verwaltung registriert ist oder nicht.
Und dies ist nicht einfach. Nur bestimmte Krankenhäuser sind für die Tripletherapie eingerichtet. Im HIV-Zentrum von St. Petersburg, wohin Nochlechka die Kranken einweist, haben Zugang zum Botkina-Spital, aber nur solange sie dort hospitalisiert sind.

Die Anonymität ist sichergestellt
In der Medikamentenausgabe von Nochlechka informiert der Sanitäter über Aids, wie es sich ausbreitet und wie man sich davor schützt.
Im September 2017 haben 57 Personen den Test durchgeführt, 22 Frauen und 35 Männer. Sechs Personen waren HIV-positiv.
Im Oktober 2017 wurden 39 Personen getestet, 4 Frauen und 35 Männer. 2 Personen waren positiv.
Ist das Testergebnis positiv, informiert der Sanitäter über die medizinische Betreuung und über das Vorgehen, um die unentbehrliche Pflege zu erhalten, dies trotz all der juristischen Einschränkungen.

Eine Gruppe mit erhöhtem Risisko
Infolge ihres sozialen Status stellen die obdachlosen Sans-Papiers eine Gruppe mit erhöhtem Risiko dar, ergänzt Grigory.
Im Weiteren gibt es keine offiziellen Daten über die Ausbreitung der Krankheit unter den Obdachlosen ohne Ausweis.
2013 hat Nochlechka mit der Unterstützung der karitativen Stiftung „Humanitäre Aktion“ an den Haltestellen des Nachtbuses Tests durchgeführt. 2% davon waren HIV-positiv. Heute könnte dieser Prozentsatz einiges höher sein.
In Russland verhalten sich die Behörden wie Kängurus.

In Russland explodiert AIDS
Im Gegensatz zur Tendenz in Westeuropa explodiert die Zahl der AIDS-Fälle in Russland.
Die registrierten Fälle haben sich innerhalb von fünfzehn Jahren verzehnfacht. Da viele ihre Aidsinfizierung ignorieren, könnte die Epidemie noch viel besorgniserregender werden. Vor allem Drogensüchtige sind betroffen, der Virus breitet sich heute aber auch ausserhalb der „Risikogruppen“ aus. Die russischen Behörden scheinen sich der Epidemie endlich bewusst zu werden, die Präventionsmassnahmen bleiben aber bescheiden.

Dies ist vermutlich nicht weiter erstaunlich, weiss man doch, dass 2016 die Direktoren des russischen Institutes für strategische Studien, eines dem Kreml unterstellten Organs, eine präzise Vorstellung der Gründe hatten, die zur Ausbreitung des Virus führten: Der Fehler lag bei der Kondom-Industrie. „Ihr Interesse lag an der Kommerzialisierung ihrer Produkte“ und sie „ermunterte die Jungen, die Minderjährigen zum frühzeitigen Geschlechtsverkehr“.
In einem sechzigseitigen Rapport, der am 30. Mai 2016 den russischen Parlamentariern vorgestellt wurde, stigmatisieren die Autoren ebenfalls die Bedrohung von aussen: „Aids wird als Element des Informations-Krieges gegen Russland eingesetzt“.

Pflege trotz allem
Unter diesen Umständen kann man Nochlechka nur zu ihrem Vorgehen gratulieren und hoffen, dass die Angesteckten effektiv gepflegt werden können, trotzdem sie für die Bürokratie inexistent sind.

 

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