Tragische Banalität, Herr Medwedew… Ein voraussehbarer Tod, Herr Putin…
Dank der Mobilisierung von Nochlezhka ist ein Bericht über einen Sans-Papier für einmal auf der Frontseite der sankt-petersburger Zeitungen erschienen.
Der Leidensweg des 17-jährigen Witali, von einem Krebs im Endstadium befallen, zeigt die masslose Ungerechtigkeit, welche diese Stadt regiert. Aus dem einfachen Grund, dass Witali keine administrativen Dokumente besass, hatte er keinerlei Zugang zu medininischer Pflege.
Ein eindeutiger Fall
Gemäss Dekret N702-125 vom 12.11.2009 rechtfertigt das Fehlen der Propiska in keiner Weise die Weigerung der Spitäler und Polykliniken, den Ärmsten lebensnotwendige Hilfe zu leisten.
Witali hätte ohne jeden Vorbehalt Pflege erhalten müssen. Diese wurde ihm jedoch systematisch verweigert.Witalis Leidensweg führt zur einfachen Frage: weshalb ignoriert das öffentliche Gesundheits-System das Dekret N702-125?
Witalis Todeskampf beleuchtet einen grausamen Vorfall
Witali litt an einem Krebs in Phase 4, mit Metastasen. Ein unheilbarer Fall.Er wusste nichts davon, niemand war informiert, niemand hat ihn über seinen Zustand in Kenntnis gesetzt.
Die Aussichtslosigkeit, ihn zu retten, rechtfertigte es nicht, ihm medizinische Hilfe zu verweigern, ihn leiden und ohne jegliche Erklärung sterben zu lassen. Und vor allem ohne Schmerzmittel.
Witali und seine Angehörigen haben sich an verschiedene medizinische Einrichtungen gewandt. Sie zählten auf ein menschliches Verhalten, auf eine umfassende General-Untersuchung, auf die notwendige Behandlung, auf Palliativpflege. Kurz: auf das Minimum!
Statt einer Diagnose: eineinhalb Monate lang umherirren und leiden.
Statt einer Behandlung: keinerlei medizinische Hilfe.
Witali wurde Opfer des ewiggültigen russischen Schemas, welches die totale Nichtbeachtung der Rechte eines Patienten ohne Ausweis erlaubt. Dieser Kranke in den letzten Zügen wurde von einem Ort ans nächste weitergereicht; er erhielt lediglich oberflächliche Diagnosen oder gar keine, auch keine medizinische Hilfe.
Während 45 Tagen erhielt Witali keinerlei Schmerzmittel, war Opfer grosser Schmerzen und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich sehr schnell.
Ein Tag vor seinem Hinschied
Seine Angehörigen und die Sozialassistenten von Nochlechka haben die medizinischen Einrichtungen förmlich belagert. Sie versuchten, die unabdingbaren ärztlichen Untersuchungen zu erzwingen und dass der todgeweihte Patient in ein Spital aufgenommen wird. Umsonst.
Dank Nochlezhkas Anstrengungen erwachten die petersburger Medien: Witali wurde im Krankenhospiz aufgenommen… 24 Stunden vor seinem Tod.
Dieses unerträgliche Ereignis wirft natürlich Fragen auf. Nochlezhka stellt sie der Öffentlichkeit und vor allem den politischen Kräften:
Weshalb wurden im Fall Witali die Gesetze erst auf Befehl «von oben» angewandt, dies erst einen Tag vor seinem Hinschied?
Weshalb sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes N702-125 die meisten Sans-Papiers immer noch mit der Nichtbeachtung der Patientenrechte durch die Spitäler konfrontiert?
Weshalb erhalten Kranke ohne Identitäts-Papiere keinerlei Hilfe durch die medizinischen und sozialen Dienste?
Die Gesetze werden nicht respektiert
Die Antwort ist einfach: Das Gesundheitssystem ist derzeit so konzipiert, dass das Spital-Personal nicht gewohnt ist, die in den Gesetzen verbrieften Rechte zu respektieren.
Dazu kommt, dass die Patienten die ihnen zustehenden Rechte nicht kennen. Auch die Korruption ist nicht geeignet, Hilfe zu erhalten.
Ab Januar 2011 geht die Reorganisation des öffentlichen Gesundheitswesens in die Vernehmlassung. Danach werden die russischen Bürger ihre Krankenversicherung und ihr Spital selbst bestimmen können.
Sie hoffen, dass die Macht der Konkurrenz und des Geldes dort erfolgreich sein werden, wo die Justiz und der gesunde Menschenverstand versagt haben.
In der langen Zeit der Hoffnung, dass die medizinischen Unternehmen ihr Verhalten und ihre Praktiken ändern, um möglichst zahlreiche Kunden zu gewinnen und die Versicherungen ihre Leistungen verbessern, solange wird die Verfassung weiterhin missachtet bleiben.
Und nichts ist sicher, dass durch diese zukünftige Reform den Tausenden von Witalis ihre Rechte tatsächlich zugestanden werden.