Es ist schwer zu glauben, dass es dieses Übel immer noch gibt, doch die Episode, die wir jene Nacht bei der Kontrollrunde des Nachtbusses erlebt haben, beweist es.
Wir befinden uns in der Nähe der Zugstation Livogo, unterhalb eines wichtigen Strassennetzes. Etwa zehn obdachlose Sans-Papiers erwarten uns frierend auf der schneebedeckten Strasse. Ein schwarzer Mercedes mit ausgeschalteten Scheinwerfern steht ebenfalls dort.
Die Leopardenfrau
Die Essensverteilung beginnt, das Thermometer zeigt an diesem Abend auf minus neunzehn Grad, die Gesichter der Obdachlosen sind aufgedunsen von der beissenden Kälte, die Suppe und der heisse Tee wärmen die gefrorenen Finger etwas auf.
Wie durch Zauberei taucht plötzlich inmitten der Silhouetten der Obdachlosen ein langes Kleid mit Leopardenmuster auf. Es ist der Rock einer Zigeunerin, die gekommen ist, um die Unglücklichen anzuwerben.
Sie verspricht ihnen mit honigsüsser Stimme fantastische Einkünfte. Lächelnd vor Glückseligkeit hören sie ihren Verführungskünsten zu.
Ohne lange zu fackeln, mischt sich Igor Antonov, der Buschauffeur, ein und erklärt ihnen die Gefahren, die von den Versprechungen der Leopardenfrau ausgehen, nämlich, dass aus ihnen Leibeigene gemacht werden.
Eine ideale Zielgruppe
Igor kennt die Methode dieser Menschenhändler. Mehr als einmal ist ein solcher Fall schon eingetreten, und man weiss aus den Berichten von den wenigen, die sich von einem solchen Menschenraub befreien konnten, was den Ahnungslosen erwartet, der sich in ihren Netzen verfängt, nämlich die Versklavung.
Dieses Mal ist die Zigeunerin sofort weggegangen und im Mercedes mit den getönten Scheiben verschwunden.
Gelegentlich eskaliert die Diskussion und starke Männerarme ragen plötzlich aus dem Wagen hervor. Es ist auch schon vorgekommen, dass Igor einen Obdachlosen, der ins Auto steigen wollte, mit Gewalt zurückhalten konnte.
Angesichts des Elends, in dem die Sans-Papiers leben, verspricht ihnen die Mafia das Blaue vom Himmel, und es versteht sich von selbst, dass es am Schluss nur um erbarmungslose Ausbeutung geht.
Manchmal präsentieren sich diese schamlosen Ausbeuter direkt bei Nochlechka, um dem Sozialdienst der NGO falsche Arbeitsstellen anzubieten in der Hoffnung, einige unglückliche Opfer zu rekrutieren.
Die gleichgültige Komplizenschaft des Staates
Nochlechka hat mehrfach diese illegalen Geschäfte angezeigt, aber offenbar vergeblich.
Wenn man die Mafiamethoden kennt, ist es nicht schwierig zu verstehen, dass zahlreiche Staatsangestellte mit Verbindungen zu solchen Organisationen die Augen verschliessen, weil sie gekauft worden sind.
Unterstützen Sie Nochlechka, Sie retten Leben!