Elena

Sans-Papiers : Wir werden behandelt wie Vieh. Einmal in der Strasse, sind wir keine Menschen mehr. Wir werden behandelt wie Vieh.

Elena Souleimanovna ist 51 Jahre alt, man würde sie aber gut 15 Jahre älter schätzen. Die sechs Jahre auf der Strasse haben ihre Spuren hinterlassen.

Elena war der Prügelknabe der anderen Obdachlosen und wurde oft geschlagen.
Eines Tages hat sie sich im Spital Marinskaja in St. Petersburg wiedergefunden. Sie wurde auf der Notfallstation angenommen, obwohl sie keine Identitätspapiere hatte. Seit Dezember 2010 sollte die Aufnahme von Papierlosen auf der Notfallstation der Normalfall sein, aber in der Praxis ist dies leider nicht immer der Fall. Meistens spielt der gute Wille eine entscheidende Rolle.

Wie hat es Elena überhaupt in dieses Spital geschafft? Das ist ungeklärt. Vielleicht hat ein Bürger Verantwortung übernommen und die Ambulanz gerufen, vielleicht hat er insistiert, dass man sich wirklich um Elena kümmert. Vielleicht hat diese Person sie sogar bis ins Spital begleitet.
Die leidvolle Geschichte von Elena beginnt in Evana, einer Stadt in der Nähe von Moskau, wo sie registriert ist:
„Im Jahr 2006 arbeitete ich als Krankenschwester, meine Existenz war angenehm. Dann wurde mein Ehemann – ursprünglich aus Dagestan – eingesperrt: an meinem Geburtstag. Er hatte eine 16-jährige vergewaltigt. Ich kann vieles verzeihen, aber das nicht. Aufgrund der muslimischen Religionszugehörigkeit meiner Schwiegereltern war ich gezwungen, diese bei mir aufzunehmen. Doch dann haben sie mich rausgeworfen. Ich bin nach St. Petersburg gegangen.“ Dies erzählt uns Elena mit schwerer Stimme. Als sie sich das letzte Mal aufgeregt hatte, hat sie einen Herzinfarkt bekommen.

„Ich befand mich im Spital“, fährt sie fort, „und die Verantwortliche von Nochlezhka, Olga Vladimirovna, die das Spital besuchte, hörte von meinem Fall. Sie hat mir gesagt, ich solle zu Nochlezhka kommen. Ich hatte ein Schädelhirntrauma und meine Lungen sind beeinträchtigt wegen einer Stenokardie. Dies alles ist das Resultat von meinem Leben auf der Strasse. Im Winter musste ich grosse Kälte ertragen. Obdachlose Männer – Leidensgenossen – haben mich heftig geschlagen um mir einige wenige Kopeken zu stehlen und ich habe mich im Spital wiedergefunden.“

„Nach diesem Aufenthalt, bei dem man sich wenig um mich gekümmert hat, bin ich auf die Strasse zurückgekehrt. In zwei Jahren hatte ich drei Bronchopneumonien, ich habe mich ins Spital Botkinskya begeben. Vom Spital wieder auf die Strasse und dann schliesslich zu Nochlezhka.“

Aktuell lebt Elena seit dem Herbst 2011 bei Nochlezhka. Man sieht vor, sie in ein Altersheim zu bringen, aber das Problem ist, dass man eine Einrichtung finden muss, die in der Nähe von Elenas angestammter Lebensumgebung ist, also im Umland von Moskau. Dafür muss Elena ihre Papiere wieder erhalten und an ihre Pension gelangen.

Der juristische Service von Nochlechka hilft
Zuerst müssen die Juristen von den staatlichen Diensten eine Kopie des Passes mit Elenas letzten Niederlassungsort: Evana, erhalten. Dafür muss man eine Blutanalyse aus den letzten 15 Tagen beilegen. Hat die zuständige Behörde länger für die Bearbeitung, verfällt die Gültigkeit der Probe. Dann hilft nur eine neue Probe, für die man wieder bezahlen muss…Kommt hinzu, dass es auch mit gültigen Papieren nicht einfach ist, einen Platz zu finden.
Mit einem traurigen Lächeln fasst Elena zusammen: „Im Unterschied zu vielen Menschen trinke ich nicht, war ich nicht im Gefängnis, habe ich studiert, um Krankenschwester zu werden. All dies, um so zu enden…