Verbietet Abstimmung

Am kommenden 18. September wird das russische Volk seine neuen Abgeordneten wählen und so die Duma neu besetzen. Das ganze Volk? Nein.
Vier Millionen Bürger des Wahlrechts beraubt
Mehr als 4 Millionen russische Bürger haben infolge fehlender Identitätspapiere keinen Zugang zu den Urnen. Sie haben keine Propiska.
Nochlechka stemmt sich dagegen und reagiert.
Ursprünglich im Dezember 2016 vorgesehen, wurden die Wahlen ausnahmsweise auf den 18. September vorverlegt. Die andere Neuigkeit: die traditionsgemäss am zweiten Sonntag im September stattfindenden Lokal- und Gemeindewahlen werden auch am 18. September durchgeführt.
Erklärtes Ziel dieser Beschleunigung ist, dass die neugewählte Versammlung über das nächste Budget abstimmen kann.

Eine grosse Herausforderung für die Macht
2011 wurden die Wahlen von zahlreichen Betrugsvorwürfen überschattet, nach Bekanntgabe der Wahlresultate kam es zu grossen Demonstrationen. Für die Opposition traf der Slogan „Einiges Russland, Partei der Schwindler und Dieben“ für diese Wahl voll zu.
Keine Frage für Wladimir Putin, dass es diesmal keine solchen Scharmützel geben wird, dies umso mehr bei der gegenwärtig wirtschaftlich unvorteilhaften Lage und der  verhängten Sanktionen infolge der Wiedereingliederung der Krim in die russische Föderation.
Die heute über die Mehrheit verfügende Partei „Einiges Russland“ muss nach dem 18. September ihre Vormachtstellung erhalten und die neugewählten Parlamentarier die Entscheide der Kremlchefs ohne viel Aufmucken billigen.

Fassaden-Lifting
Um den bei der Kampagne 2011 erhobenen Verdacht von „gefährlichen Beziehungen“ zur administrativen Machinerie und die Betrugsvorwürfe an die letztgenannte zu vermeiden, hat die Staatsmacht, und damit Einiges Russland, den obersten Rat der Partei ziemlich stark erneuert.
Dies ist ein Versuch, die Schwergewichte von Einiges Russland durch Meinungsführer (Ärzte,  Schauspieler, Schriftsteller, Wohltäter) zu ersetzen; eine echte „Säuberung“ der Machtelite.
„Dies ist ein konstruktiver Entwicklungsprozess von Einiges Russland. Dies wird es vom Image der Partei mit Verbindungen zum Staatsapparat befreien“, bestätigt Alexander Poschalov, Direktor des Forschungsinstituts für Sozio-Ökonomie und Politik und nahe des Kremls.

Ein frommer Wunsch?
Die petersburger Nichtregierungs-Organisation Nochlezhka hat an mehrere Abgeordnete und zukünftige Kandidaten einen entsprechenden Antrag gestellt. Dieser scheint aber ein frommer Wunsch zu bleiben.
Nochlezhka bittet sie, dringend zu intervenieren, damit alle russischen Bürgerinnen und Bürger ohne Propiska trotzdem wählen können. Wir weisen darauf hin, dass die Verfassung der Russischen Föderation und ihr Grundgesetz jedem Bürger nebst den Rechten auf Unterkunft, Arbeit, Pflege, Sozialdienste und Bildung auch den verfassungsmässigen Zugang zu den Wahlen garantiert.
In Russland weisen vier Millionen Bürger nach, dass dieses Recht verletzt wird.
Ob es nach der Intervention von Nochlezhka wohl anders sein?
Eines ist sicher:  die russische Obdachlosigkeit wird auch dieses Mal kein Wahlkampfthema sein.